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Therapie oder nicht Therapie; das scheint hier die Frage

Therapy or no therapy, that is the question:
Whether ‚tis nobler in the mind to suffer alone
The slings and arrows of outrageous fortune,
Or to take arms against a sea of troubles,
And by opposing, end them? To talk: to cry;

(frei nach Wilhelm Schüttelbier)

Der langanhaltenden Verzweiflung sind Frust und Resignation gewichen. In den letzten Monaten vermeide ich es wieder stärker mich mit der Frage nach professioneller Unterstützung, vor allem therapeutischer, auseinanderzusetzen. Habe schon Angst zu einer verhärmten, übellaunigen Psychotante mutiert zu sein. Ich hasse das. Ich sehe schwarz. Erhebe gerade nicht den Anspruch fair zu sein, Verständnis aufzubringen und. Nicht in diesem Moment. Im Alltag gebe ich mir Mühe – wenn ich aufpasse und mich nicht von meinen Emotionen überwältigen lasse. Schon klar, das Gesundheitssystem macht es vielen Ärzten sehr schwer sich angemessen um ihre Patienten zu kümmern. Der Beruf an sich ist eine große Herausforderung und verlangt einem viel ab. Die organisatorischen Schwierigkeiten, die sich ja auch nicht vermeiden lassen, sind ein zusätzlicher Stressor. Ich kenne auch die Inhalte der Ausbildungen, die Psychologen, Psychotherapeuten und FÄ für Psychiatrie oder Psychotherapie durchlaufen, weiß wie schwer es ist als psychologischer Psychotherapeut seine Kassenzulassung zu bekommen, weiß wie teuer und zeitaufwändig es für Therapeuten ist sich weiterzubilden.

Aber wie ich schon schrieb: Meine letzte Tüte Verständnis ist mir heute Morgen in der Handtasche ausgelaufen und hat hässliche Flecken auf dem Leder hinterlassen. Nächste Woche besorg ich mir ne Neue. Bis dahin fühl ich mich einfach nur allein gelassen.

Seit Jahren lass ich mir nun schon mein Hirn in den Mühlen des sozial-psychiatrischen Systems fein zermahlen. Immer wieder haben wir versucht uns Hilfe zu holen. Immer wieder landeten wir in psychiatrischen Einrichtungen, wurden von Arzt zu Therapeut zu anderem Therapeut verwiesen. Man klärte uns über unsere psychischen Störungen auf, erklärte uns, wir sollten dringend spezialisierte Fachleute aufsuchen, also taten wir das. Wir telefonierten, schrieben Briefe und Mails, führten Gespräche mit Therapeuten, Kliniken. In Kliniken erklärte man uns, wir müssten uns an ambulante Therapeuten wenden. Die Arbeit mit DIS-Patienten sei komplex und nur ambulant durchführbar. Ambulante Therapeuten verwiesen uns wieder an Kliniken, denn nur in einem stationären Setting sei es möglich mit unserer DIS und den Traumatisierungen zu arbeiten. Wir kamen uns vor wie ein schwarzer Peter, der weiter- und weitergereicht wird. Gingen in Kliniken, arbeiteten an der allgemeinen Stabilisierung, ließen uns immer wieder erklären, dass wir ja dringend eine Traumatherapie machen müssten, die Themen dringend angehen – aber bitte nicht hier. So ging es zu ambulanten Therapeuten, mit denen wir an der allgemeinen Stabilisierung arbeiteten, ließen uns erneut erklären, dass wir dringend unsere inneren Konflikte und die Traumatisierungen angehen müssen – aber bitte nicht hier.

Nach einigen Jahren dieses Hin und Her ist mir schwindelig. Wir fühlen uns verschaukelt.

Immer wieder fanden wir uns mit Mitmenschen konfrontiert, die meinten Ärzte und Therapeuten müssen ihre Probleme lösen, die sich auf dieser Erwartungshandlung ausruhten. Die hatten selten Schwierigkeiten eine Therapieplatz zu bekommen, einen Klinikplatz oder ähnliches. Wenn die vorhandenen Probleme nicht reichten, wurd einfach etwas mehr gejammert.

Wir hatten Probleme überhaupt Therapeuten zu finden, die sich bereit erklärten mit uns weiterzuarbeiten, sobald das offenbar aufregende Novum eine Differenzialdiagnostik mit einem Multiplen durchzuführen verflogen war. Die meisten stiegen aus, wenn es es um unseren Hintergrund von organisierter und systematischer Gewalt ging. Das Wenige an ernsthafter Therapie, was uns vergönnt war, haben wir versucht zu nutzen, so gut es geht. Die meiste Zeit waren wir auf uns gestellt, haben selbst versucht Interventionen zu entwickeln um mit Intrusionen umzugehen, uns als System kennenzulernen, Innenkommunikation aufzubauen, an Co-Bewusstsein zu arbeiten. Wir hofften in der Therapie wenigstens weitere Anregungen für unsere eigene Arbeit zu bekommen… die Therapeuten auf der anderen Seite schienen zu hoffen, dass Pandoras Kelch an ihnen vorübergehen möge…

Wir kämpfen immer noch dafür wenigstens für eine kurze Zeit eine ordentliche Therapie zu bekommen. Wir wünschen uns so sehr einen Therapeuten, der sich mit Traumatisierungen auskennt, der vielleicht auch die Umständen, in denen wir so lange gelebt haben, verstehen kann, jemanden, der bereit ist mit uns und unseren inneren und äußeren Konflikten zu arbeiten, jemanden, der sich an Absprachen hält.

Nur beginnen wir uns zu fragen, ob das alles überhaupt noch einen Sinn ergibt. Ein Psychiater sagte uns vor einiger Zeit, dass es an uns läge, wenn die 87 Therapiestunden, die wir in den vergangenen 10 Jahren hatten, nicht gereicht hätten. Kein Mensch könne Probleme haben, die sich mit einer einmaligen Verhaltenstherapie nicht lösen lassen könnten.

Wir haben uns so oft gewünscht Hilfe und Unterstützung zu haben. Glauben, dass viele Situationen der vergangenen Jahre etwas glimpflicher ausgegangen wären, wenn wir nicht allein auf uns gestellt gewesen wären. All unser Kämpfen um sinnvolle Unterstützung hat nichts gebracht. Immer, wenn wir glaubten etwas Sinnvolles gefunden zu haben, war es meist schon vorbei, bevor es überhaupt angefangen hatte.

Ja, wir sind frustriert und hart am überlegen, ob wir nicht einfach ganz aufgeben sollen. Immer wieder nagende Stimmen… es ist so unglaublich vermessen von uns zu glauben, wir hätten so etwas wie „professionelle Hilfe“ überhaupt verdient. Ich weiß nicht, ob es überhaupt nachvollziehbar ist… aber wir hängen an dieser Stelle fest.

Weiter suchen, weiter kämpfen oder es bleiben lassen und sich weitere Jahre Frust und Enttäuschung ersparen?

7 Kommentare zu “Therapie oder nicht Therapie; das scheint hier die Frage

  1. Hey ihr Lieben!

    Was ihr berichtet ist einfach schlimm und traurig. Ich habe das Gefühl, ihr seid so stark, Steh-auf-Männchen.
    Ihr schreibt, ihr seid gerade nicht fair, aber ihr seid es!!!
    Gefühle sind da, denen ist es egal, ob sie fair sind oder nicht, aber im Alltag seid ihr es und so viele Andere jammern echt und es fällt ihnen scheinbar in den Schoß.
    Einfach meinen ehrlichen, Respekt.

    Meiner Freundin geht es Ähnlich, das fiel mir beim lesen auf.
    Sie hat auch eine DIS und war in der Klinik ich werde sie auf jeden Fall nochmal!
    Sie war da, ohne Trauma-Bearbeitung, wird aber wieder hingehen. Intervalltherapie.

    Ihr habt es verdient, Hilfe zu bekommen, nicht aufgeben, ja?

    Von Herzen alles Liebe,
    stellinchen

  2. Hallo ihr,

    es liest sich fast so wie unsere Geschichte was ihr schreibt. 🙂 Und aus ganz eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es sich absolut lohnt, nicht den Mut zu verlieren und immer weiter zu suchen. Wir haben ganz genauso wie ihr sehr viel Therapieerfahrung, und solche Sprüche von wegen, dass es ja keinen Sinn hätte, wenn wir schon so viel Therapie hatten und noch immer nicht klar kommen. Es gibt keine allgemeine Zeitdauer für Therapieerfolge, schon gar nicht bei Menschen wie uns. Jede Erfahrung hat vielleicht irgendwie Sinn, aber das heißt noch lange nicht, dass sie heilsam war.
    Wenn ihr die Augen offen haltet und gut auf euren Bauch hört, werdet ihr ganz sicher diesen einen Menschen finden, der mit euch den Weg gehen kann, den ihr gehen wollt. Ich weiß, dass das geht, wenn ihr das wollt und der richtige Moment da ist. Auch bei uns hat es sehr lange gedauert, bis wir diesen Menschen gefunden haben.

    Ganz liebe Grüße
    strandkrabbe

  3. Kämpfen natürlich!
    Die Kämpfe bis jetzt haben euch dahin gebracht wo ihr jetzt steht! Wofür wäre es gut gewesen, wenn nicht mindestens dafür Anlauf nehmen zu können um noch weiter zu kommen?!

    Mal abgesehen von der Debatte um „Verdient oder nicht verdient“ und sichtbare Erfolge.
    Der sichtbarste Erfolg ist, dass ihr lebt und dass ihr könnt, was ihr jetzt könnt! Und das ist immer mehr als der Moment in dem man soweit erniedigt war, dass man dachte: Jjetzt hier sofort und gleich werde ich sterben und es ist alles sinnlos“. Alles was mehr ist als das- ist den Kampf wert!

  4. Ein Psychiater sagte uns vor einiger Zeit, dass es an uns läge, wenn die 87 Therapiestunden, die wir in den vergangenen 10 Jahren hatten, nicht gereicht hätten. Kein Mensch könne Probleme haben, die sich mit einer einmaligen Verhaltenstherapie nicht lösen lassen könnten.

    Spinnt der?

    Es klingt unglaublich frustrierend, was da alles passiert ist. Ich musste mit meiner popeligen Depression nicht viel ausfüllen (zumal ich ja auch erst seit Kurzem volljährig bin, und weiterhin meine Mama alles Bürokratische erledigen lasse) aber selbst das empfinde ich als zu viel Aufwand, weil ich noch immer zu keinem Ergebnis gekommen bin – Ohne Klinikaufenthalte, oder Herumgereiche.

    Ich denke aber, dass du/ihr es mit Sicherheit verdient habt, professionelle Hilfe zu bekommen, ohne das Gefühl vermittelt zu bekommen, dass [insert one of many things].

    Vielleicht ist das einer dieser Entitlement-Generation-Gedanken, aber nein, kann ich mir nicht vorstellen. Natürlich sollte man Hilfe bekommen. Und vielleicht möchte der Psychiater sich ja seinen und den Unzulänglichkeiten seiner Kollegen nicht stellen, wenn er meint, es gäbe dich/euch nicht. Denn offensichtlich existierst du/ihr, und offensichtlich GIBT es Probleme, die nicht geklärt wurden.

    Werd erst mal Geschirr vor die Wand schmeißen. JFC, manche Leute!

  5. Hallo, was für ein toller und mutiger Artikel!! Es ist unfassbar, was ihr durchmachen und euch anhören müsst, um Hilfe zu bekommen. Zweifelt nicht an euch und an euren Bedürfnissen, und ja, der Typ mit den 87 Stunden spinnt 🙂 Ich drücke dir / euch die Daumen, dass ihr bald einfühlsame Hilfe bekommt. Ich habe auch mal eine kurze Therapie gemacht, und die Psychotherapeutin hat den Antrag gestellt, ich musste gar nichts machen.

    cheers!
    fraulinde

  6. Mag euch allen hier nochmal für die Kommentare danken. Es hilft uns wirklich in unseren Denk- und Entscheidungsprozessen.

    Das Thema Therapie ist ein sehr emotionales für uns, eines, mit dem wir schon lange kämpfen. Sind noch immer hin- und hergerissen, tauschen uns da aber auch mit nahestehenden Leuten aus. Einer Therapeutin in unserer Stadt, die wir bisher noch nicht kannten (ein kleines Wunder ;-), haben wir eine Mail geschrieben und uns auch vorgenommen dort anzurufen. Eine weitere Therapeutin, mit der wir bereits das Glück hatten zu sprechen und die sehr erfahren im Umgang mit DIS und ritueller Gewalt ist, trauen wir uns noch nicht wieder zu kontaktieren… wir werden sehn…

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