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Was der Dschungel mit der Hölle zu tun hat

“You can take the tiger out of the jungle, but you can’t take the jungle out of the tiger!”

(Bill Waterson)

Anders gesagt: Auch wenn man uns aus der Hölle herauszieht, so ist die Hölle noch immer in uns.

Sofern sich ein Außenstehender überhaupt mit dem Thema organisierte und/oder rituelle Gewalt beschäftigt hat und sich dazu eine Meinung bildet, wird oft in simplifizierten Konzepten von Gut und Böse gedacht. Es gibt entweder Opfer, die, die nur einstecken müssen, oder Täter, die Schuldigen, die nur austeilen.

Auf Täterkreise, wo es hauptsächlich um Ausbeutung geht, wie Gruppen der organisierten Kriminalität, die sich mit Menschenhandel, (Kinder)prostitution und -pornographie verdingen, mag das im Großen und Ganzen noch stimmen, auf Kreise in denen rituelle Gewalt eine Rolle spielt, wie Sekten und Kulte, lässt sich so ein Konzept nicht mehr ohne Weiteres anwenden.

Die Ziele dieser Gruppierungen unterscheiden sich. Während die Handlungen der einen Gruppe lediglich z.B. finanziell motiviert sind, findet rituelle Gewalt in Gemeinschaften statt, die in der Regel einen irgendwie gearteten ideologischen Hintergrund haben und wo „Mitgliedschaften“ innerhalb der Familien von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Solche Gemeinschaften haben ein zusätzliches Interesse daran ihre Mitglieder dauerhafter zu binden, während z.B. in der Kinderpornoindustrie die Ware Mensch ein Wegwerfartikel ist.

Diese rituelle Gewalt praktizierenden Gruppen (ich habe noch Schwierigkeiten eine stimmige Bezeichnung dafür zu finden, hier nutze ich um der Kürze willen mal die Abkürzung RGpG) erziehen ihre Mitglieder. Wir man in eine RGpG hineingeboren oder gerät in sehr jungen Jahren hinein, beginnt diese „Erziehung“, Ausbildung, Trainig – es letztendlich ein Abrichten – entsprechend früh, teilweise schon im Mutterleib (Stressinduktion ist da schon möglich und hat Einfluss auf die Mutter-Kind-Bindung). Die Methoden sind mannigfaltig und ich werde an anderer Stelle und zu einem späteren Zeitpunkt einmal genauer darauf eingehen. Sie zielen darauf ab, dass die RGpG maximale Kontrolle über das Mitglied erhält und dieses in eine starke Abhängigkeit gerät. Dazu gehört auch, dass man kaum in so einer Gemeinschaft aufwachsen kann ohne nicht sowohl Opfer als auch Täter zu werden. Diese Bivalenz ist beabsichtigt. Das Mitglied ist leichter unter Druck zu setzen, einzuschüchtern, zu erpressen.

Aufwachsen in einer RGpG bedeutet aufwachsen jenseits der üblichen gesellschaftlichen Normen. Es bedeutet verdrehte und pervertierte Konzepte von Gut und Böse zu lernen, persönliche Freiheiten einzubüßen, kein Recht zu haben über selbst die grundlegenden Bedürfnisse frei entscheiden zu können, in einem Millieu permanenter Grenzübertretung und Gewalt, egal in welcher Form, zu leben und – wie ich ja schon erwähnte – früher oder später beide Seiten der Medaille kennenzulernen. Es ist die Hölle. An die christliche Tradition des lodernden Fegefeuers nach dem Tode, geleitet und beherrscht von Teufeln und Dämonen, glaube ich nicht. Die Hölle sind andere Menschen, wie Sartre schrieb:““L’enfer, c’est les autres“.

Es ist möglich aus dieser Hölle auszubrechen – alles andere als leicht, die Erziehung verfehlt ihren Zweck da nicht, aber möglich. Nur ist es hier wie mit Erziehung im allgemeinen auch, sie lässt sich nicht einfach so ablegen. Auch wenn ich im Erwachsenenalter von zu Hause ausziehe, meine Interaktionen mit Eltern und Geschwistern haben mich und meine Sicht auf die Welt geprägt. Auch wenn in ein anderes Land und in eine andere Kultur auswandere, ich bin in Deutschland aufgewachsen, mit hier geltenden Werten und Normen, mit der hier gesprochenen Sprache. Ich kann mich anpassen, eine neue Sprache lernen, vielleicht sogar meinen Akzent verlieren, werde aber immer mehr oder weniger deutsch bleiben.

Und so trage ich die Hölle, in der ich aufgewachsen bin, noch immer in mir. Ich kann nur hoffen, dass das neu Gelernte sich festigt und das, was mich ursprünglich prägte, in meinem Leben an Relevanz verliert.

5 Kommentare zu “Was der Dschungel mit der Hölle zu tun hat

  1. Gut gewählte worte zum thema, trotz deiner subjektivität. Du bringst die prägung der erziehung auf den punkt, denn irgendwie ist es ja oft, mit dem eintritt in ein selbstbestimmtes leben, ein kämpfen. Mit den alten normen, so vieles, was verinnerlicht ist und zu überdenken gilt, aber auch vieles, was man neu entdecken darf, was staunen lässt, für andere ganz selbstverständlich ist… ich fühle mich dann oft traurig, weil ich dinge erst ’spät‘ erlebe, aber es sind auch geschenke, diese neuen momente, die andere vielleicht nicht so wertvoll empfinden würden.

    Alles liebe, m.

  2. Ich kann mich nur den anderen Kommentarschreibern anschließen. Die Worte, die gewählt wurden, sind so aussagekräftig. Sie erklären eine Welt, die viele Menschen nicht verstehen können und nicht verstehen wollen. Ihr könnt stolz sein, dass Ihr den Weg bis jetzt gegangen seid und ich wünsche Euch von ganzem Herzen, dass der Weg weiter weg von den Prägungen hinein in ein eigenständiges selbstverantwortliches Leben führt.

  3. Pingback: Übel oder Übel? Bitte entscheiden Sie sich! « Parallelwelten der Mosaiksteinchen

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