Sommertag – Pt II

Ein Ausschnitt aus unserer Kindheit, rekonstruiert aus den Erinnerungen verschiedener Innenpersonen. Im geschriebenen Wort ist es nicht so leicht diese Brüche oder Wechsel darzustellen. Wir haben es hier einfach mal mit verschiedenen Farben versucht, wobei jede Farbe für das Erleben oder die Erinnerung einer Innenperson steht. Der Text ist insgesamt etwas länger geworden, darum teilen wir ihn auf. Einige Teile enthalten expliziter Darstellungen von z.T. sexualisierter Gewalt und sind daher durch ein Passwort geschützt, welches z.B. hierüber erfragt werden kann.

Sämtliche Namen, auch die der erwähnten Innenpersonen aus unserem System oder dem unserer Cousine, sind wie immer verändert.

Sommertag – Pt I

Ich wasch mir meine Hände, die sind ganz schön dreckig und die Arme gleich mit. Meine Cousine stellt sich zu mir ans Waschbecken und schaut genau in den Spiegel. „Nun sag doch endlich, hab ich noch was in den Haaren?“ Ich schaue nach, finde einen Grashalm, den ich ihr gebe und einen Käfer, von dem ich ihr lieber nichts erzähle, sonst erschrickt sie und fängt an zu weinen und überall unsichtbares Krabbelgetier zu sehen. Wir ziehen uns ganz aus, legen die Kleider auf den Klodeckel und die Unterwäsche daneben. Wir kriegen später sowieso frische. Ich finde das toll. Meine Cousine und ich dürfen, wenn wir zusammen sind immer die gleichen Sachen tragen. Wir sind fast wie Zwillinge sagen immer alle. Wir sind ja auch fast am gleichen Tag geboren und gleich alt. Wir schaun uns so ähnlich, nur die Haarfarbe stimmt nicht ganz.

Wir waschen uns überall, trocknen uns gut ab und meine Cousine macht die Tür auf und kräht:“Wir sind fääääärtiiiiig!“.

Ich zische sie leise an und boxe sie in die Seite. Was, wenn das schon zu viel war, dann mag ich dem Onkel gar nicht unter die Augen treten müssen.

Diesmal kommt der Onkel und nimmt uns beide an die Hand, innerlich duck ich mich schon, aber er schaut ganz entspannt und zufrieden aus, er tätschelt mir sogar den Kopf. Also ist alles gut.

Er bringt meine Cousine und mich die Treppe rauf. Ich löse ich wieder auf.

„Hübsch schauen meine beiden Mädchen aus“, sagt er,“Ich bin stolz auf euch und ich möchte das auch bleiben.“ Ein strenger Blick für beide von uns.

„Laura, Anna, Onkel Albert ist schon im Zimmer oben links und wartet auf euch. Enttäuscht mich nicht, ihr seit doch meine besten Mädchen.“ Er lächelt. „Habt Spaß meine zwei Süßen“. Er stellt uns nebeneinander, fasst jeder noch einmal auf die Schultern. Als er mir in die Augen schaut (und das wichtig bei ihm, er wird sehr böse, wenn man ihm nicht gleich in die Augen schaut, wenn er einen anspricht) spüre ich diesen Blick der mich wirklich sticht, auch wenn er lächelt. Ich bin Anna, ich weiß ganz genau was zu tun ist, wie ich mich jetzt zu verhalten habe. Ich lächle und meine Augen können das auch. Ich mag auch, dass ich so viel Aufmerksamkeit bekomme und dass es etwas gibt, dass ich gut kann. Ich mag es, wenn ich gelobt werden. Ich mag es, wenn jemand zu mir sagt: „Das hast du gut gemacht.“ Außerdem mag ich den Onkel Albert. Wenn es etwas gibt, was ich nicht gut genug kann, dass Onkel Albert zufrieden ist, dann weiß ich ein anderes Mädchen im Körper, dass das besser kann als ich.

Ja, ich weiß, dass es da andere gibt, ich höre sie, ich fühle sie, weiß, dass sie da sind. Dass man darüber nicht spricht weiß ich auch, das hat mein Onkel uns erklärt, der Cousine und mir. Sie ist nämlich genau so. Wir sind etwas Besonderes und Laura, das eine Mädchen in meiner Cousine und ich, wir gehören zusammen. Ist die eine da, ist auch die andere da.

Laura nimmt mich bei der Hand und gemeinsam gehen wir die Treppe hinauf. Dort oben gibt es drei Zimmer, eine geradeaus und rechts und links die Gästezimmer. Onkel Albert ist Gast bei meinem Onkel und Gäste werden anständig bewirtet, so sagt meine Tante immer. Meine große Cousine hat mal gesagt: „Und dazu gehört mehr als ein Stück Kuchen und Kaffee, das ist hier so Brauch.“ Meine Tante hat ihr damals eine schallende Ohrfeige gegeben.

Vor der Tür des linken Zimmers bleiben Laura und ich kurz stehen, schauen uns gegenseitig an, mustern uns kurz, ob alles in Ordnung ist, ob das Lächeln gut ist.

Sommertag – Pt II

Sommertag – Pt III

Sommertag – Pt I

Ein Ausschnitt aus unserer Kindheit, rekonstruiert aus den Erinnerungen verschiedener Innenpersonen. Im geschriebenen Wort ist es nicht so leicht diese Brüche oder Wechsel darzustellen. Wir haben es hier einfach mal mit verschiedenen Farben versucht, wobei jede Farbe für das Erleben oder die Erinnerung einer Innenperson steht. Der Text ist insgesamt etwas länger geworden, darum teilen wir ihn auf. Einige Teile enthalten explizite Darstellungen von z.T. sexualisierter Gewalt und sind daher durch ein Passwort geschützt, welches z.B. hierüber erfragt werden kann.

Sämtliche Namen, auch die der erwähnten Innenpersonen aus unserem System oder dem unserer Cousine, sind wie immer verändert.

Ich erinnere mich noch recht genau. Genau so, wie die meisten meiner Erinnerungen sind. Sie sind wie Dias, Makroaufnahmen, Kurzfilme.

Die Sonne scheint, es ist alles recht grell. Die Sonne mochte ich nie, denn sie verbrennt mich und ich sehe so wenig. Ich stehe am Terrassentisch, der hat so lustige Bommel, die überall an dem Tischtuch herunterhängen, fast auf Augenhöhe. Deshalb waren sie vielleicht auch so viel interessanter als das, was auf dem Tisch stand. Das konnte ich ohnehin nicht genau erkennen ohne auf die Zehen zu gehen und das hätte bestimmt etwas Ärger gegeben, denn Erwachsenensachen sind Erwachsenensachen. Da versteht mein Onkel keinen Spass. Ein Bommel ist eine Banane, einer eine Weintraube. Ich frage die Frau, die nie freundlich, aber auch nie böse schaut und gerade einen Krug rausträgt, was das ist, denn meine Oma hat auch einen Tisch im Garten, aber so was hab ich noch nicht gesehen, vielleicht faszinieren sie mich auch nur deshalb. Ich fasse die Früchte an, sie sind glatt und schwer und ich mag sie. Meine Cousine grinst frech und klipst heimlich immer einen dieser Bommel ab und wieder an.

„So Mädchen“, sagt mein Onkel, „jetzt wird es nun wirklich Zeit. Ihr habt lange genug hier im Garten getobt. Geht rein und zieht die Schuhe aus.

Meine Cousine ist an dem Tag sehr aufgedreht und rennt noch so schnell sie kann einmal in den Garten und dann auf die Terrasse zurück. Ich brauche ja sowieso viel länger beim Schuhe ausziehen, ich krieg das mit den Schnallen einfach nicht hin. Da machen meine Finger nie was sie sollen.

Ich hab noch Zeit den Mann anzuschauen, der bei meinem Onkel sitzt. Ich habe ihn schon öfter gesehen, ich glaube er ist ein Freund vom Onkel. Ich finde ihn toll. Er schaut so groß aus und immer so nett. Meine Oma hätte bestimmt fesch gesagt. Ich weiß nicht warum, so lang ich denken kann, habe ich diesen Mann angehimmelt, groß, gutaussehend, charmant. Ich habe ihn ja öfter mal gesehen, meist, wenn er mit meinem Onkel etwas ganz wichtiges zu besprechen hatte. Erwachsenensachen eben.

Da endet meine Erinnerung, einfach ein Ausschnitt eines Sommertages, kleine Details, die sich festgesetzt haben. So wie das jeder kennt.

Ich bin bin ein bisschen sauer auf meine Cousine. Wenn sie jetzt noch so wild herumhüpft, sogar beim Sandalen ausziehen, dann kann das ganz leicht Ärger geben. Eigentlich bin ich nicht so richtig wütend, ich hab nur ein bisschen Angst. Ich boxe sie in die Seite, sag:“Kkschtt“, wie mein Onkel es sagt und schau sie so an, wie mein Onkel es mir gezeigt hat. Mit ihren großen blauen Augen schaut sie zurück und bleibt auf einmal ganz ruhig stehen. Ich bin erleichtert. Sie ist zwar nur ein Mädchen, aber ich mag sie trotzdem.Ich weiß, dass das jetzt geklappt hat, kein frech sein mehr. Alles wird jetzt gut.

Die Frau nimmt uns an der Hand, heute mal gar nicht so ruppig. Ich bin ein bisschen stolz, denn dann sind wir zwei auch brav genug und gewesen.

„Wascht euch!“ sagt sie, „besonders du, Ines!“ und bringt uns in ein kleines Bad. Sie hat wirklich recht, meine Cousine hat über all kleine Erdklüpchen und Gras im Haar und viele Flecken an den Armen. Ein paar Waschlappen müssen reichen und jede von uns bekommt welche. Ines beugt ihren Kopf über das Klo und wuschelt sich die Haare aus. „Schau mal, ob noch was hängen geblieben ist?“ , fragt sie mich. 

Ich höre sie schon gar nicht mehr. Ich wollte mir die Hände waschen und habe in den Spiegel geschaut. Mir wird dann immer schwindelig. Meine Cousine sieht im Spiegel genauso aus wie sonst auch, nur eben verkehrt herum, mir schaut immer ein blondes Mädchen mit blauen Augen und Locken entgegen. Das ist doch verrückt. Ich löse mich auf. Das tue ich oft, aber das ist so, sagt mein Onkel. Ich habe eine Aufgabe, ich bin wie ein großer Bruder, denn meine Cousine hat keinen, nur die doofe große Schwester die uns immer ärgert. Große Brüder sind wichtig, sagt mein Onkel. Sie passen darauf auf, dass ihre kleinen Schwestern alles richtig machen. Ich pass auf meine Cousine auf. Manchmal muss ich sie hauen, wenn sie nicht hören will, aber ich geb ihr auch immer meinen Pudding nach dem Essen ab. Das darf ich, sagt mein Onkel, das gehört auch dazu. Und wenn die Jungs im Dorf uns ärgern, dann hab ich mich mit denen schon oft geprügelt.

Sommertag – Pt II

Sommertag – Pt III