Text eines Partners und Freundes: Der Missbrauch und die Gewalt

Auf besonderen Wunsch und Anregung hin hat der Freund und Partner, der den letzten Text verfasst hat auch seine Gedanken zu seinem Umgang mit den Hintergründen und Erfahrungen von Betroffenen von sexualisierter/organisierter/ritueller Gewalt formuliert.

Der Missbrauch und die Gewalt

Das ist ein sehr sehr schwieriges Thema und ich kann hier auch nur für mich selbst sprechen, denn ich habe mich nie mit anderen Angehörigen ausgetauscht.

Es fällt mir sehr schwer mich mit dem ganzen Themenkomplex Vergewaltigung, Folter Kindesmissbrauch und -prostitution auseinander zu setzen, zu wissen das es Menschen im eigenen Umfeld, Freunden so ergangen ist und das der Mensch den ich liebe das erlebt hat. Der Gedanke an die Täter, die noch immer frei herumlaufen und bisher ungeschoren blieben kommt ebenfalls dazu.

Ich bin in einem eher konventionellen Elternhaus aufgewachsen. Gewalt gab es da nicht. Als Kind habe ich nur bin wenigen Situationen den Hintern versohlt bekommen – und bei jeder dieser Gelegenheiten hatte ich mir das redlich verdient. Schläge ins Gesicht oder das Hauen mit Hilfsmitteln, das kam nicht vor. Meine Eltern waren relativ liebevoll und erzogen mich und meine Geschwister zu Anstand, Ehrlichkeit, Fleiß und Respekt.
Soweit ich das beurteilen kann, gab es auch in keinem anderen Familienzweig mit dem ich zu tun hatte irgendwelche häusliche Gewalt. Meine Kindheit war also recht behütet.

Als ich vor ca.10 Jahren erstmalig mit DIS und deren Ursachen konfrontiert wurde, hat das meine Welt nachhaltig erschüttert. Mir war schon klar gewesen das es böse Menschen und böse Taten gab. Ich habe im Laufe meines Lebens viele Mädchen und Frauen kennen gelernt die sexuelle Übergriffe erlebt hatten. Das Ausmaß an Gewalt und Perversion allerdings mit dem ich konfrontiert wurde, als ich in die Forenszene der Missbrauchsüberlebenden und Multis eintrat, übertraf jedes für mich erfassbare Maß. Ich habe damals meine Unschuld und Naivität, was unsere Welt und unseren Staat betrifft, für immer verloren.

Obwohl ich seither viele Schilderungen von Überlebenden gelesen und gehört habe, kann ich nicht sagen das sich bei mir eine Gewöhnung oder eine nennenswerte Desensibilisierung eingestellt hätte.
Jede Erzählung solcher Gräuel löst noch immer die gleichen Reaktionen bei mir aus: Übelkeit und Ekel vor den Tätern, Unglaube über soviel Unmenschlichkeit, der Wunsch jeden Perversen, Kinderschänder oder Vergewaltiger zu verfolgen und zu töten, Hilflosigkeit und Trauer. Manchmal auch würde ich zu gerne bei jenen Tätern vorbei fahren, von denen ich weiß wo sie zu finden sind. Allein aufgrund des Wunsches der Betroffenen tue ich das nicht.
Ich trage oft eine große Wut und manchmal auch große Angst in mir und ich weiß nicht wo ich damit hin soll. Mir fehlt jedes Verständnis für Menschen die freiwillig anderen, vor allem unschuldigen Kindern, solche Abscheulichkeiten antun. Das sind in meinen Augen keine Menschen mehr die irgendwelche Rechte hätten. Denn Menschenrechte hat nur wer sie auch bei anderen achtet.
Es gibt auch Phasen in denen ich mir Wünsche, ich hätte all dies nie erfahren, nie von dieser Welt der abartigen Gewalt gehört, Phasen in denen ich mir meine Unschuld zurück wünsche.
Deshalb habe ich immer wieder Zeiten da ich mich seelisch und geistig von alle dem distanzieren muss, einfach weil es mir zu viel wird, Ruhephasen ohne Gespräche über die Vergangenheit oder deren Folgen. Manchmal muss ich mich von alle dem fernhalten, weil ich es nicht ertragen kann.
Meine Toleranz was die Verarbeitung all dieser Dinge betrifft, ist sehr niedrig da ich früher in meinem Leben nie lernen musste mit diesen Formen der Gewalt, vor allem in diesem Ausmaß, um zu gehen. Vielleicht bin ich auch nur ein Sensibelchen, inzwischen habe ich vermutlich selbst kein objektives Bild mehr.

Als Freund und Angehöriger kann es schnell passieren das man sich seelisch zu tief in den Kaninchenbau wagt und in Folge dessen cotraumatisiert wird. Ich kann deshalb durchaus auch verstehen wenn es immer wieder Menschen gibt, die nicht damit zurecht kommen und den Umgang mit den Betroffenen meiden – einfach weil sie es nicht ertragen.
Sich selbst zu schützen ist zwar eine Sache, das ganze Thema deshalb totzuschweigen und damit die Betroffenen alleine zu lassen ist für mich jedoch nicht akzeptabel. Wenn man ein Verbrechen nicht öffentlich macht und sei es nur im Freundeskreis oder unter anderen Betroffenen, dann ist dass so als wäre es nie passiert – und nach meinem Verständnis der Welt darf das nicht sein.

Mir ist bewusst welche Gewalt meiner Partnerin angetan wurde, ich weiß wie sie aufgewachsen ist und in was für einer ‚Familie‘ sie ‚erzogen‘ wurde. Ich kann die Spuren des Missbrauchs sehen.
Einen Umgang mit ihrer Gewaltvergangenheit, oder der meiner betroffenen Freunde habe ich selbst nach so vielen Jahren noch nicht gefunden.
Meine Lebensgefährtin sehe ich jedenfalls nicht als ‚das Opfer‘. Heute ist sie der Mensch der sie eben heute ist. Ich kann ihre Vergangenheit nicht wieder gut machen, ich kann jedoch versuchen sie in der Bewältigung zu unterstützen und ein Leben mit ihr zu Leben das nun frei von all diesen Dingen ist.
Nichts an ihr stößt mich nichts ab, ganz im Gegenteil von Körper und Seele her würde ich sie nicht einmal ein kleines bisschen anders haben wollen. Und keine noch so detaillierte Schilderung von Ekeltraining oder Vergewaltigung kann daran etwas ändern. Sie ist nicht das Verbrechen, das ihr angetan wurde. Ich sehe und fühle die Narben, und ja, es ist mir stets bewusst woher sie kommen und ich weiß auch teilweise wie sie entstanden sind. Das lässt sich aber nicht mehr ändern. Das Blut, das fremde Sperma, der Kot und Urin und all der andere Dreck sind abgewaschen, nichts ist davon mehr zu sehen, zu fühlen oder zu riechen.
Was noch übrig ist, ist die Frau die ich liebe, so wie sie ist, als System, mit allen und allem was zu ihr gehört.
Die Täter und die Taten stoßen mich ab – nicht der Mensch dem das angetan wurde.

Was einen laufenden Täterkontakt angeht habe ich allerdings eine Nulltoleranz.
Solange ich Partner und Angehöriger bin, kann und werde ich das nicht tolerieren. Damit könnte ich im übrigen auch gar nicht umgehen. Da gibt es weder eine Grauzone noch einen Kompromiss. Sollte ich mich damit konfrontiert sehen, würde ich jedes, buchstäblich jedes Mittel einsetzen um einen Täterkontakt zu verhindern oder zu unterbinden. Ich könnte nicht damit leben so ein Stück Abschaum ungestraft mit seiner Tat davonkommen zu lassen, nicht wenn es um meine Familie geht.

Es ist für mich durchaus nachvollziehbar das es Opfer gibt, die sich freiwillig für die RiGaG entscheiden. Nur wäre das mit mir als Partner keine Alternative. Wer sich freiwillig für die dunkle Seite entscheidet, darf sich keine Illusionen darüber machen das er damit zu einem bösen Menschen wird und nicht mehr besser ist als jeder andere Täter auch.
Mir ist bewusst das manche Betroffenen in meinem Umfeld dazu gezwungen worden sind selbst zum Täter zu werden. Mir ist bewusst das es täteridentifizierte Anteile gibt und das diese genauso Teil meiner Partnerin sind. Und ja, manchmal sind die Übergänge auch fließend. Dennoch gibt es eine klare Grenze: wenn jemand ohne Zwang und damit freiwillig als Täter handelt. Der freie Wille ist der Unterschied zwischen Täter und Opfer.
Ich kann einen Menschen nicht uneingeschränkt für erzwungene oder erpresste Taten verantwortlich machen. ‚Nein‘ zu sagen ist manchmal nicht möglich, denn die RiGaGs verstehen es mit Sicherheit sehr gut entsprechende Inszenierungen und Abhängigkeiten zu schaffen.
Die immer wieder gehörte Täterausrede ‚ich war selbst einmal Opfer‘ ist jedoch in meinen Augen keine Rechtfertigung oder gar Strafmilderung, sondern bestenfalls eine Erklärung.
Meine Einstellung mag sehr hart klingen, für mich ist diese Grenzziehung zwischen der dunklen und hellen Welt jedoch sehr wichtig. Denn es gibt einfach Grenzen über die zu gehen ich nicht bereit bin, Taten, die zu tolerieren ich nicht bereit bin.
Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deswegen, versuche ich die Hinter- und Beweggründe der Anteile aus der Nachtgesellschaft zu verstehen. Und ich versuche dabei vorurteils- und wertfrei zu bleiben. Denn auch diese Anteile gehören zu meiner Partnerin und kein bisschen weniger als alle anderen auch.
Es ist einfach eine ganz andere Welt als die, in der ich lebe. So Manches ist mir bis heute fremd geblieben.

Ich weiß von Freunden in meinem Umfeld die jetzt noch in diesem Sumpf gefangen sind, die noch in den Händen der RiGaG sind.
Sofern ich es kann und dies auch gewünscht ist, versuche ich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu helfen. Unser Zuhause dient für unsere Freunde als Zuflucht und das jederzeit und unbefristet. Wir beide unterstützen, schützen und beschützen so gut es eben geht. Leider kann ich selbst jedoch meist nicht wirklich viel tun. Meine Möglichkeiten sind begrenzt und deshalb bin ich in erster Linie für meine Partnerin da. Ich denke bei den anderen Betroffenen, ist es in erster Linie Sache deren Partner und/oder Therapeuten ihnen beizustehen. Ich wäre auch einfach nicht in der Lage für jeden, jederzeit uneingeschränkt da zu sein. Das kann ich weder fachlich, seelisch oder körperlich leisten. Deshalb liegt mein Fokus eben auf meiner unmittelbaren Familie.
Ich will und kann meine Augen vor so viel Unrecht nicht verschließen, als Angehöriger und Freund von Betroffenen ist es jedoch auch hier sehr wichtig sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren. Nur all zu schnell kann man an all dem was man hört, sieht oder erlebt kaputt gehen und damit wäre keinem gedient.

Wie ich schon zu Anfangs schrieb, es ist für mich ein sehr schwieriges Thema und ich habe zu vielen der ober geschilderten Aspekte noch keine abschließende Meinung oder Einstellung entwickelt. Ich glaube auch nicht das dies jemals wirklich der Fall sein wird. Dazu ist der ganze Themenkomplex auch viel zu krass. Und die Betroffenen, ebenso wie ihre Probleme sind meist viel zu individuell.
Oft muss ich das was ich glaube oder das was ich als Grenzen für mich festlege, neu überdenken oder neu definieren. Gerade in der vergangenen Wochen habe ich ein grundlegendes Prinzip, das ich bisher in meiner Partnerschaft als unumstößlich angesehen hatte, komplett über Bord geworfen.
Es gibt so Vieles das ich noch immer nicht richtig verstehe und deshalb versuche ich in Gesprächen Klarheit zu bekommen.
Die Betroffenen haben lernen müssen mit all dem zu Leben, für manche ist die Gewalt zur Gewohnheit geworden, Grenzüberschreitung und erzwungener Sex etwas ganz Alltägliches. Für mich als ‚Normalo‘ wird das nie etwas ‚Gewöhnliches‘ oder ‚Alltägliches‘ sein.

Und ich habe ehrlich Angst vor dem Tag an dem sich das ändern sollte.

Text eines Partners und Freundes: „Mein Umgang als Angehöriger mit der DIS“

Hier im Blog wird ja vornehmlich die Sicht einer Betroffenen (sprich mir) auf die DIS und die damit einhergehenden Probleme und Hintergründe dargestellt. Ich freue mich daher sehr darüber hier auch den Text eines Partners und Freundes von multiplen Menschen veröffentlichen zu dürfen, der den Umgang mit Betroffenen von seiner Warte aus beschreibt.

Mein Umgang als Angehöriger mit der DIS

Wie die meisten Menschen die in ihrem Leben nie direkt mit dem Thema Missbrauch konfrontiert waren, hatte ich zu Anfangs große Schwierigkeiten mich mit DIS und deren Ursachen auseinander zu setzen. Und weil ich es damals nicht anders wusste, übernahm ich im Umgang mit den Multis die ich kannte die Sichtweise der Betroffenen. Ich behandelte jeden Innie so wie er sich selbst auch wahrnahm: als eigenständig und entsprechend als Kind oder als Erwachsenen und passend zu dem gefühlten Geschlecht.

Im Ergebnis war das allerdings keine so gute Idee, wie ich aber auch erst viele Jahre später realisiert habe. Zum Einen machte ich mir damit letztlich selbst das Leben schwer, denn ein multiples System ist auf höchst effiziente Weise funktional und Betroffene wissen dies zudem auch effektiv zu nutzen, wenngleich dies in der Mehrzahl der Fälle sicher nicht mit bewusster Absicht geschieht sondern instinktiv passiert. Zum Zweiten unterstützt es die Trennung der einzelnen Anteile und nimmt dem Systems die Notwendigkeit ab, selbständige ein gemeinsames Verantwortungsgefühl zu entwickeln.

So als Beispiel: hatte ich mit Person A Streit, verschwand die einfach und Person B tauchte auf, welche von ihrer Sicht aus mit dem ganzen Thema nichts zu tun hatte. Für das System funktioniert das als Ausweichmechanismus prima – für mich leider überhaupt nicht.
Im Übrigen ist man als Freund eines Multis auf diese Weise mehr oder weniger oft in ‚guter Cop, böser Cop‘ Spiele verwickelt. Denn zur Überlebensstrategie vieler Systeme gehört auch das Mittel der Manipulation. Jedenfalls ist das meiner Erfahrung nach so.
Wer in einer Welt aufwächst in der Manipulation allgegenwärtig ist, in einer Welt in der Bedürfnisse im besten Fall ignoriert, im schlimmsten Fall bestraft werden, der sucht eben zwangsläufig eigenen Wege um seine Wünschte zu erreichen. Als gutmütiger oder unerfahrener Freund oder Partner kann man da tatsächlich recht schnell unter die Räder geraten, wenn man sich nicht rechtzeitig genug abgrenzt und selbst schützt.

Wie ich auch erst im Nachhinein bemerkte, hat mir diese oben beschriebene Art des Umgangs mit der DIS überhaupt nicht gut getan und durch verschiedene Umstände hat sich deshalb meine Einstellung inzwischen auch sehr geändert.
Heute behandle ich einen Multi auch nicht mehr anders als ich es mit jedem anderen Menschen tun würde. Ich hatte unlängst mit einer lieben Freundin, selbst Betroffene, ein Gespräch zu genau diesem Thema.
Mir ist durchaus klar, das sich viele Persönlichkeitsanteile subjektiv als eigenständig erleben. Doch wie der Name sich ja nun selbst erklärt ist es ein Persönlichkeitsanteil, also ein Teil eines Ganzen. Und jeder abgespaltene Anteil ist ursprünglich entstanden um ein Bedürfnis zu befriedigen – das Bedürfnis zu Überleben. Und das hat eben nur durch diesen radikalen Mechanismus der Psyche, der Dissoziation und die amnestische Trennung funktioniert.
Dieser Verarbeitungsmechanismus jedenfalls hat den Nebeneffekt, das wenn der eine Anteil etwas tut, dann fühlt sich der andere Anteil dafür oft nicht verantwortlich. Nun entspringen aber beide der gleichen ursprünglichen Psyche und unabhängig davon wie eigenständig sich Einzelner erleben mag, ist und bleibt er doch immer eine Facette vom gesamten System und damit Teil eines jeden anderen. Jeder einzelne Anteil trägt den Charakter des Gesamtsystems in sich und trägt umgekehrt auch zum Charakter des Gesamtsystems bei. Das gilt im Guten wie im Schlechten. Wenn also ein einzelner Anteil lieb und nett ist und der Rest des Systems das nicht ist, macht das für mich als Außenstehenden keinen Unterschied mehr. Oder als einfaches Beispiel: wenn mich das System mit den Leuten A – F verarscht, dann ist es unerheblich das Kind G nach vorne kommt und wieder lieb mit mir sein will. Aber das funktioniert eben auch umgekehrt: wenn ich mit allen Anteilen eines Systems nur positive Erfahrungen gemacht habe, dann fällt es mir leichter mit Täterintrojekt X umzugehen, bzw. dessen Umgang zu verarbeiten.

Was nun das weiter oben genannte Beispiel für Streitkultur angeht, so lässt es erkennen das sich Multi und Uno grundsätzlich mal gar nicht so sehr voneinander unterscheiden: wenn mir persönlich etwas nicht passt, entweder was ich bin oder das ich tue, dann verdränge ich diesen Aspekt eben einfach – in letzter Zeit kaum noch, früher tat ich das dafür sehr stark. Multi hingegen spaltet vergleichbaren Aspekt in Form eines sich als eigenständig erlebenden Persönlichkeitsanteils, ab. Also tun wir beide nix anderes. Die Bewältigungsstrategie ist im Kern die gleiche.
Der Unterschied liegt nur darin, das ich als Uno sehr viel leichter lernen konnte diese Strategie zu erkennen und ihr entgegen zu wirken. Multi hingegen war gezwungen diesen psychischen Mechanismus ins Extremste zu perfektionieren um überhaupt überleben zu können. Und das lässt sich nicht mal so eben umlernen.

Meine sehr liebe Freundin hat mich nun auch gefragt, bzw. gemeint, das ich aber die Kinder anders behandeln würde als ich es mit den Erwachsenen Anteilen tue. Und nein, das tue ich nicht mehr.
Ich trage sehr wohl der Tatsache Rechnung das sich jeder als eigenständig erlebt und das eben jeder auch für eine Gemütsverfassung oder eine Situation oder anderes steht, oder stehen kann – das er aber nicht eigenständig ist, bleibt für mich deswegen unbestritten.
Heute sehe ich den Wechsel zwischen einzelnen Systemanteilen einfach als ein Mittel oder als Ausdruck des Systems in einer Bestimmte Situation auf adäquate Weise zu (re)agieren. Kommen etwa Kinder nach vorne, kann das systemabhängig z.B. ein Bedürfnis nach Nähe oder auch im Gegenteil, nach Ruhe ausdrücken.
Wenn ich den Einzelnen vor mir habe und entsprechend handle und doch ebenfalls das System als Ganzes sehe, ist das also kein Widerspruch.

Natürlich ist es nicht immer ganz so einfach, denn von allem anderen abgesehen handelt es sich bei einem Multi noch immer um einen traumatisierten Menschen und diesem Aspekt ist ebenfalls Rechnung zu tragen. Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings nicht, das ein Multi nun erwarten darf, das sich sein Umfeld deshalb gänzlich und bis zur Selbstaufgabe auf ihn einlässt.
Mit der Einstellung die ich heute zur DIS habe, ist mein Leben mit Vielen um Einiges unkomplizierter geworden. Und das gilt für mich selbst und in gleichem Maße für meine Partnerin. Nach meiner Erfahrung lassen sich auf diese Weise sowohl Missverständnisse besser klären, aber auch Bedürfnisse und Wünsche viel direkter und einfacher ansprechen. Es gelten für alle Beteiligten die selben Regeln und der selbe Bezugsrahmen, unabhängig vom erlebten Alter, Geschlecht oder der persönlichen Weltanschauung.

Manch einem Multi(Anteil) mag es ungerecht oder schwierig erscheinen so behandelt zu werden, denn schließlich ist DIS keine gewählte Lebenseinstellung, sondern eine Überlebensstrategie die für Betroffene auch für die Alltagsbewältigung oft notwendig ist. Und wenn Multi nur diesen einen Umgang mit der Welt kennt, dann ist meine dargelegte Einstellung dem ein oder anderen vielleicht zuwider. Doch um mich hier ganz klar abzugrenzen: darauf einzugehen liegt nicht in meiner Verantwortung. Es ist nicht meine Sache, auch nicht als Freund oder Partner, mit jedem Innie so umzugehen wie der das gerne hätte. Für mich als Außenstehender ist nur der Umgang mit dem System als Ganzes entscheidend und entsprechend werde ich mich auch verhalten. Alles andere liegt beim System, entweder im Umgang mit der Situation oder im Umgang mit sich selbst und seinen Anteilen – Systemverantwortung eben.

Als Angehöriger will ich meine Partnerin natürlich so gut ich kann unterstützen. Und ich habe festgestellt, das dies am besten funktioniert, wenn unser Umgang miteinander so unkompliziert wie irgend möglich ist. Und was soll ich sagen? So wie es jetzt ist, tut uns das beiden und der Beziehung offensichtlich richtig gut ^^