Das Jahr der Therapie

Ich bin unglaublich müde.

Gut, dass mag auch an dieser doch fortgeschrittenen Stunde liegen… an Schlaf ist dennoch nicht zu denken, obwohl ich die Augen kaum offen halten kann. Praktischerweise tippe ich ohnehin immer blind und um die zahlreichen Fehler kümmere ich mich dann, wenn ich ein paar Streichhölzer gefunden habe.

Ich hatte eigentlich eine Menge vor, was den Blog betrifft. Viele Artikel liegen auf Halde, lediglich die letzten Paragraphen fehlen, den aktuellen Kalender für Ritualfeiertage wollte ich auch schon längst fertig haben… so vor zwei Monaten, aber ich komme nicht dazu.

Ich habe ja selbst das Jahr 2014 und das Motto „Jahr der Therapie“ gestellt, da ich nach hier bereits mehrfach erwähnter Odyssee endlich überaus geniale Therapeuten gefunden habe. Es ist ja nicht so, dass ich keine Therapieerfahrung hätte – au contraire – nur lässt sich da kaum etwas vergleichen. Wir haben in den vergangenen Jahren Ausweichtechniken zur Kunstform erhoben und häufiger, als es sein sollte, haben wir innerhalb der Sitzungen die Eigenanteile der Therapeuten bearbeitet. Wenn es „gut“ lief, dann gab es ein Brainstorming und wir haben jede Menge Interventionen gelernt, die im besten Fall nicht funktionierten, meist aber das konkrete Problem verschlimmbesserten. Immerhin, so lernt man auch.

Ich muss zugeben, dass, als wir unsere jetzige Traumatherapeutin fanden, viele Sorge hatten an so eine „Kuschelpädagogin“ zu geraten. Bei der Suche sind wir einigen solcher Exemplare begegnet. Mitleidstour; Mutterersatz für die armen kleinen traumatisierten Innenkinder sein – natürlich nur, wenns süße und nette sind, Stress unerwünscht, da selbst null stressstabil. Eine wollte uns dann im Erstgespräch regelrecht einreden, dass wir in einer satanischen Sekte noch immer bis Unterkante Oberlippe drinstecken, dass die Täter uns schon bis zu ihr gefolgt sind und dass sie nun in Gefahr wäre. Tat mir ja fast leid ihr zu erklären, dass sie sich in der Ideologie etwas getäuscht hat und dass destruktive Kulte weitaus effektivere Methoden haben ihre „Schäfchen“ wieder einzunorden… und wer davon lebt, dass es ihn eigentlich nicht gibt, wird kaum so blöd sein sich ner kleinen, unbedeutenden Therapeutin entgegenzustellen, die er weder einschätzen kann und deren Einschüchterung nicht gewinnbringend ist, weil sie eben nicht ins Wespennest sticht, so wie diverse Ärzte und Therapeuten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Machenschaften diverser destruktiver Kulte oder Kinderpornoringe offenzulegen. Ich habe dort (natürlich) etwas weniger drastische Worte gewählt um mich und meine Situation zu erklären. Als ich nach Hause fuhr ärgerte ich mich. Neues Futter für Anhänger der False-Memory-Bewegung. Danke. Is ja nich so, als hätte man es nich schon schwer genug. Wie dem auch sei: wer seine Fakeritis umfassender ausleben will und endlich mal erfolgreich jemandem weiß machen möchte, dass er ein ach so gebeutelter Kult-Multi ist und das für sein Ego schriftlich brauch… ich hätte da ein paar Adressen, zertifizierte Täterkontakt inklusive

Nein, ich bin nicht frustriert… das scheint nur so. Is wie Kaffeekränzchen im Altenheim. Leid is hip.

So, darüber wollte ich mich eigentlich gar nicht auslassen. Wo war ich denn…? Ach ja… weibliche Traumatherapeutin. Wir haben eine und danken täglich der sich zuständig fühlenden Deität dafür. Keine unserer Befürchtungen hat sich bewahrheitet. An sich haben wir ein großes Problem mit Frauen zusammen zu arbeiten und wir sind es mittlerweile müde immer wieder unsere Welt, wie und wo wir aufgewachsen sind, die Strukturen, unser Erleben und was weiß ich nicht noch alles zu erklären. Hier müssen wir das zum allerersten Mal nicht. Nope. Oft genug erklärt die Therapeutin uns unsere Welt und eröffnet und völlig neue Perspektiven. Das ist selten schöne und nie einfach, aber wir haben das Gefühl, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es ist merkwürdig jemandem gegenüber zu sitzen, der weiß, wovon wir reden, weil er es nicht zum ersten Mal hört, weil er eine Menge Erfahrung mit sich bringt.

Es ist Erleichterung pur – auf der einen Seite

Die andere Seite ist harte Arbeit – was wir ja wollten, denn Therapielight hatten wir schon, Erfolg mäßig – und saumäßig anstrengend. Wir dachten wir sind schon recht weit, haben unser Weltbild bereits auf den Kopf gestellt, was schmerzhaft war… und jetzt müssen wir uns damit konfrontieren, dass noch eine ganze Menge der schützenden Mauern, die wir um uns errichtet haben, niedergerissen werden müssen. Wenn wir nicht aufhören die Themen geschickt zu umschiffen, die unsere wirklichen Probleme sind, können wir auf ewig so weitermachen. Wir könnten Pseudoprobleme vorschieben, mit ein bisschen Kreativität lässt sich da ein bunter Strauß zusammenbinden. Wir verfluchen und danken oben erwähnter Deität dafür, dass diese Therapeutin sich keine Geschichten erzählen lässt, dass sie das nur am Rande interessiert. Sie hat ein Talent hinter jede Äußerung, hinter jeden stressinduzierten Lachanfall oder das fluchtartige Verschwinden einer Innenperson und das plötzliche Auftauchen einer augenscheinlich unbeteiligten und desorientierten Innenperson zu schauen. Keine Spielchen. Welch eine Erleichterung… und ein wenig Scham, dass man zu viele dieser Ablenkmanöver beherrscht.

Ja, sie macht uns eine Menge Arbeit. Es werden oft so viele Themen (nicht immer absichtlich) angesprochen, dass wir Buch führen müssen, um den Überblick nicht zu verlieren. Wie es innen aussieht vermag ich noch nicht in Worte zu fassen. Chaos ist ein so ausgelutschter Begriff und trifft den Kern auch nicht. Die unterschiedlichsten Emotionen, Kognitionen und die Anteile, die sie tragen wurden „aufgeweckt“… da tritt man bisweilen lieber in Verhandlungen mit sämtlichen Warlords dieser Welt.

In all diesem Durcheinander versuchen wir dann die innere und äußere Sicherheit zu gewähren, nicht nur für uns, sondern auch alle, die uns nahe stehen.

Wir wagen einen Schritt, um den wir uns in dieser Form schon seit bestimmt 10 Jahren drücken – einfach weil wir eine Heidenangst hatten. Wir sind dabei mehrere sogenannte Schutzbriefe zu verfassen. Heißt: Taten werden dokumentiert. Wer hat wann und wo was gemacht. Das wird versiegelt und einem Notar oder Anwalt übergeben. Wir legen fest unter welchen Bedingungen diese Dokumente der Polizei übergeben werden. Das mag im Falle unseres Ablebens sein, eines Übergriffes auf uns oder uns nahe stehende Personen, es gibt da diverse Möglichkeiten und aus diesem Grund fertigen wir unterschiedliche Schutzbriefe an.

Irgendwie hört es sich sehr simpel an. Man schreibt was auf, packts in einen Umschlag und Ruhe is. Wären da nicht die ewigen inneren Kämpfe. Da gibt es die, die am liebsten sofort Anzeigen würden, andere, deren Angst so groß ist, dass sie es schaffen den gesamten Körper zu paralysieren, es gibt die, die noch immer jeden Mist glauben, der in Täterkreisen verzapft wurde und loyal hinter ihren „Meistern“ stehen… und die, die sich zurück in das Leben sehen, dass sie kennengelernt haben, die wissen, dass Freiheit auch etwas Schreckliches ist und die sich nicht stark genug für diese Welt fühlen. Für jemanden von Außen ist das selten zu verstehen. In unserem Kopf herrscht jetzt offiziell Krieg.

Es kostet eine Menge Kraft… diese Therapie… aber was wir dort lernen und erarbeiten ist gut… endlich hilfreich… endlich Aussicht auf ein anderes Lebensgefühl, ein besseres. Ich fang jetzt nicht an mit Worten wie „endlich Freiheit“ um mich zu werfen. Ich bezweifle, dass wir in Freiheit überleben könnten… aber so ein paar Schritte in die Richtung sind wohl nicht schlecht.

Es ist gar nicht so leicht mit Verständnis umzugehen

Es ist überhaupt kein Problem auf Unverständnis zu stoßen.

Das ist super einfach. Immerhin hat unsereiner ein ganzes Füllhorn an Neurosen und Neuröschen zu bieten, merkwürdige Tics und Zwänge, diese schwer nachvollziehenden „Stimmungsschwankungen“, oft gepaart mit den fehlenden Erinnerungen an das, was doch gerade erst vor zehn Minuten passiert ist. Um seine arme, geschundene Umwelt nicht über die Maßen zu belasten legt man sich ein Arsenal an hübschen kleinen Ausreden zurecht, nichtssagenden Erklärungen, mehr oder weniger humorvolle Kommentare und lernt schnell und unauffällig das Thema auf etwas anderes zu lenken. Immer passend für die jeweiligen Individuen, dieser armen, geschundenen Umwelt. Wem es so am liebsten ist, betrachtet einen als „schrullig“, zerstreut oder schlichtweg verrückt und überlegt sich dann, welcher Grad an Oberflächlichkeit am angenehmsten erscheint.

Für Menschen, die sich mit einem anfreunden wollen um umgekehrt, wird es schwieriger. Wie tief geht man unter die Oberfläche? Wie ehrlich antwortet man auf die Fragen, die nach und nach kommen? Einzelfallentscheidung. Da kann man auch mal übers Ziel hinausschießen, wenn man nicht weiß wie viel Ehrlichkeit tatsächlich verstanden oder vertragen werden kann. Umgekehrt kann es genauso laufen, aus den gleichen Gründen. Man vollzieht einen Eiertanz, weil man den anderen doch so gern mag und Angst hat, wenn er mehr wüsste, dass das als unvermeidlich empfundene Unverständnis, der Strick für jeden engeren Kontakt wird.

Wenn es um um die eigenen psychischen Probleme, Störungen und Krankheiten geht, scheint die Hoffnung auf Verständnis doch… verständlich, oder? Auch wenn ich mir bei manchen Vertretern ihrer Zunft nicht so ganz sicher bin, wird ein Diplom oder ein Facharzt nicht bei einer Tombola verlost. Wenn man sich also auf zu Psychiatern und Psychotherapeuten macht, erfährt man doch hier und da Verständnis für die eigenen, erlebten Symptome in Form von Erklärungen, Diagnosen und Hilfestellungen. Aber auch hier, haben wir sehr schnell festgestellt, dass das Verständnis, je nach „Individuum der Kategorie ‚professioneller Helfer'“ früher oder später endet. Für die meisten dieser Individuen ist jegliche Hilfe damit auch beendet. Es scheint schwer zu sein mit etwas umzugehen, was man nicht versteht… oder verstehen möchte.

Der eine Psychologe sah sein Ende gekommen, als er nicht verstehen wollte, dass es Eltern gibt, die Kleinkinder gegen Geld anderen Menschen für sexuelle Handlungen anbieten. Eine andere Psychiaterin sah sich nicht im Stande hinzunehmen, dass eine 12-jährige bei einer Vergewaltigung nach einigen fruchtlosen Versuchen sich zu aufgibt und es in nachfolgenden Situationen gänzlich sein lässt, weil ihr die Drohungen noch in den Ohren klingeln. Schon erwähnter Psychologe verstand es auch nicht, das all die Innenpersonen nicht einfach verschwanden, jetzt, wo man doch wusste, dass sie da sind – und wenn das so schon nicht ging, dann sollte es doch genügen, wenn man über die Traumatisierungen einmal spricht (man bedenke: das wollte er letztendlich dann ja nicht mal mit der Kneifzange anfassen). Ein Psychiater drückte sehr unwirsch sein Unverständnis darüber aus, dass 25 Stunden Verhaltenstherapie nicht genügt haben eine Heilung herbeizuführen wohingegen eine andere Therapeutin nur jahrelange Therapie als Ausweg sah, besonders um diese armen, herzerweichenden traumatisierten Innenkinder zu trösten und zu versorgen. Ihnen war ja so viel Böses widerfahren, dass es gut zu machen galt. Dass (garantiert nicht nur unser) System aber zu großen Teilen eben nicht nur aus diesen weichen, gefälligen Kleinen bestand, sondern auch aus rotzfrechen Jugendlichen, Destruktiven, Leuten, denen Therapie und Therapeutin herzlich egal waren, Innenpersonen jeglicher Couleur, die das Gedankengut der Täter vollständig übernommen haben, die sich ohne den ständigen Kontakt zur Familie oder der RiGaG verloren fühlten, die diskutieren wollten oder einfach gehen. Es ist schwer für einen (professionellen) Helfer nachzuvollziehen, warum man nicht gleich wie auf Wolken schwebt, wenn man es nach und nach schafft die Verbindungen zu den Täterkreisen zu kappen, sondern dass man daraufhin oft in ein sehr tiefes Loch fällt.

Es gibt wenig Verständnis dafür, dass für einen großen Teil eines Systems, eines Menschen, eine menschenverachtende, gewaltverherrlichende und machtsuchende Ideologie alles ist, was man kennengelernt hat.

Es gibt wenig Verständnis dafür, dass lieber der Schmerz gesucht wird, den man kennt, als sich dem großen Unbekannten auszusetzen.

Damit nicht genug: Wer in einer RiGaG, bzw einem destruktiven Kult aufwächst, lernt systematisch auch Seiten in sich zu nähren, die keine große gesellschaftliche Akzeptanz (zu Recht, wie ich finde, nichtsdestotrotz scheinen sie ja menschliche Natur) erfahren, lernen Lust an Gewalt, den süßen Geschmack von Macht, das erhebende Gefühl der eigenen Grandiosität. Vor etwas über einem Jahr haben wir ähnliches in „Was der Dschungel mit der Hölle zu tun hat“ angesprochen.

Unserer Erfahrung nach hört es spätestens hier mit dem letzten bisschen Verständnis z.B. eines Therapeuten auf.

Umso verwirrter und geschockter sind wir, dass wir mit unserer Therapeutin jetzt das Gegenteil erfahren. Wir haben noch immer Angst bei jedem Kontakt, dass es der letzte sein wird. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie von uns angewidert ist, angenervt von der Art einzelner Innenpersonen oder uns als System im Ganzen. Wir haben bei ihr stärker, als wir das bisher irgendwo hatten, Angst vor Unverständnis. Jetzt dreht die gute Frau den Spieß aber um. Sie stellt unmissverständlich klar, was sie versteht, was sie kennt, denn wir sind nun mal nicht das erste multiple System mit einem Hintergrund ähnlich dem unsrigen, dass sie behandelt. Statt: „Warum geht das nicht?“, sagt sie eher: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass […], was halten sie von […]?“. Während wir uns noch den Kopf zerbrechen, warum jemand von uns gerade dieses oder jenes und völlig unverständliche Verhalten an den Tag gelegt hat, oder warum bestimmte Emotionen da sind, die nicht nachvollzogen werden können, ist sie da nickt und gibt uns das Gefühl, als wäre es das in der Situation Natürlichste der Welt.

Wir hatten gerade erst wieder eine dieser Situationen. Die Therapeutin ist gut. Gut in dem Sinne (denn natürlich hat das auch sehr viel mit persönlichen Bedürfnissen zu tun), dass sie uns nicht den Weg ums eigentliche Thema herum durchgehen oder uns Zeit mit vorgeschobenen Pseudoproblemchen totschlagen lässt. Sie sagt uns auch direkt und ohne viele Umschweife an sich ganz einfache Wahrheiten ins Gesicht, die uns meist auch leicht in selbiges schlagen oder einen sanft bis kräftigeren Tritt in das psychische Äquivalent der Magengrube geben. Sie ist nicht dabei nie plump und scheint nie etwas zu sagen, ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass es nicht nur ertragbar für uns ist, sondern auch hilfreich. Auch wenn die Metapher mit den ausgestanzten und zusammensetzbaren Bildern sehr ausgelutscht ist: wir puzzeln gemeinsam und immer wieder findet sie ein Teil, das an einer entscheidenden Stelle fehlte und nun wir es sind, die immer mehr verstehen. Sie kann uns nicht erzählen wer wir sind, wo wir herkommen und was wir erlebt haben, aber sie kann uns helfen zu verstehen, wie das alles, all dieses, was da ist, erkannt oder noch im Schatten, was da war, klar erinnert oder nur sehr bruchstückhaft und auch manches, was vielleicht noch auf zu zukommt, ein Ganzes ergeben könnte.

Es sollte erleichternd sein.

Versteht mich nicht falsch, das ist es auch… aber es fehlt uns noch der Umgang damit. Wir schwanken zwischen der Angst das zu verlieren oder aufzuwachen und festzustellen, dass nichts davon real war. Wir wissen nicht, ob dieses Verständnis echt ist, oder ob uns nur etwas vorgetäuscht wird, weil wir sonst eben ein hoffnungsloser Fall sind. Wir können nicht sagen ob all das nur eine Falle ist, die jederzeit zuschnappen könnte… jedenfalls warten wir innerlich jeden Tag darauf.

„Kultidentität“

Kultidentität.

Ein Begriff, den unsere Therapeutin geprägt hat. Ein Begriff der uns offenbar hilft das wie im uns zu verstehen. Kompliziert ausgedrückt? Ist es wohl auch. Trotz eines nicht zu verleugnenden Aha-Effektes bei den Ausführungen unserer Therapeutin, wirft es mindestens genau so viele Fragen auf, wie es zu beantworten scheint.

Wir sprachen über unsere Lebens- und (damit) auch Therapieziele. Wir sind schon einen langen Weg gegangen, haben ja schon einiges erreicht. Sind schon in einige Untiefen unserer Seele vorgedrungen, aber anstatt den Boden des Abgrundes erkennen zu können, scheinen wir (gefühlt) ein Fass ohne Boden zu sein.

Sein vielen Jahren suchen wir ja schon nach einer/m erfahrenen TherapeutIn, der/die bereit ist sich gemeinsam mit uns in diese Untiefen vorzuwagen.

Bisherige Therapien hatten eher „kosmetische“ Ziele. Jeder Therapeut machte uns deutlich, dass es zuerst wichtig ist, dass wir (möglichst unauffällig) in der Gesellschaft funktionieren (cool, da hätte meine Familie, als sie es herausfand gar nicht so ausflippen müssen, es wollten ja alle das gleiche)

Zunächst ging es darum die Essstörung zu überwinden, wen von dem krankhaften Untergewicht -> Ziel erreicht (gut, seien wir ehrlich, das Essverhalten ist immer noch gestört und was das Untergewicht betrifft sind wir über’s Ziel hinausgeschossen).

Es ging darum die Selbstverletzung, die damals massiv war und eingeschränkt werden musste, wenigstens der Schaden an Knochen und Weichteilen -> Ziel in dem Sinne erreicht. Selbstverletzung ist selten und passiert nur noch in Situationen mit großem Druck, die neu für uns sind (intensive Gefühle) und wo sonst wirksame Skills scheitern.

Es ging um die äußere Funktionalität. Von irgendetwas mussten wir ja leben, also war wichtig, dass wir auf der Arbeit zurecht kamen, dass wir nebenbei unser Studium bewältigen konnten und die parallel laufenden Ausbildung -> Ziel lange erreicht. Wir haben Skills gelernt mit bestimmten Triggern, die wir nicht vermeiden konnten umzugehen -> Ziel erreicht.

Wir haben gelernt uns als System zu akzeptieren, jede Menge Psychoedukation gemacht. Verstehen gelernt, warum das, was man hatte eben keine Schizophrenie ist, sondern Dissoziation. Das war wohl eher ein Nebeneffekt oder etwas, was wir einem damals noch sehr unerfahrenen, aber sehr verbissenen Therapeuten zu verdanken hatten (der uns davor bewahren konnte dauerhaft und ohne Aussicht auf Ausstieg in ein Programm für Schizophrene Menschen, die nicht mehr für sich sorgen konnten, zwangseingewiesen zu werden – man bedenke: damals hatten wir einen Job, eine gerade erfolgreich abgeschlossene Ausbildung und waren auch akademisch erfolgreich, dazu ein soziales Netz und tragfähige Beziehungen… aber das ist eine ganz andere Geschichte, damit könnte ich Bücher füllen und nicht nur ausschweifend vom Blog-Artikel Thema ablenken 😉 ). Dieser Therapeut leitet heute, 9 Jahre später übrigens recht erfolgreich eine wunderbare Institution, die sehr vielen psychisch Beeinträchtigten Menschen eine gute Stütze ist. Und auch wenn wir damals nur philosophiert und gemeinsam Unmengen an vorhandenem Material durchforstet haben, ihm die Freude einer (ein Jahr lang dauernden) ausführlichen Differentialdiagnostik gegönnt haben, so war das nicht ganz beabsichtigte Ziel: Erkenne dich selbst -> erreicht.

Auf sein Geheiß machten wir uns dann wieder auf die zermürbende Suche nach guten Traumatherapeuten. Oft wurden wir mehr oder weniger abgewiesen, weil z.B. noch der Studienabschluss ausstand. Das solle man doch bitte zuerst machen.

Den Therapeuten, den wir fanden, hat sich immerhin unserer angenommen. Auch hier war das erklärte Ziel: Äußere Funktionalität. Funktionalität über allem. Dennoch nahmen wir einiges für uns mit. Er hatte keine Ahnung, war aber in der Welt herumgekommen und brachte viele Sichtweisen in die Therapie mit. Häufig war uns beiden klar, dass das, was wir innerhalb der Therapie besprachen, erarbeiteten, usw. gelinde gesagt suboptimal war. Es half uns aber unsere eigenen Wege und Interventionen zu finden. Die eingeübten Imaginationsübungen nach Muster gingen nach hinten los? Also wurden neue geschrieben. Wir schafften uns Projekte und damit unfreiwillig die ersten Anläufe von Innenkommunikation und später sogar (steuerbarer) Co-Bewusstheit. Unsere Funktionalität verbesserte sich zeitweise -> sein Ziel erreicht (leider schien er es regelrecht persönlich zu nehmen, als dieses Korsett der äußeren Funktionalität begann zu knarzen und dann zu zerbrechen). Unser Ziel: ein Miteinander zu schaffen haben wir in den Anfängen – erreicht.

Damit können wir jetzt arbeiten. Mit vielen Innenpersonen und Gruppen (wir haben uns da die Begrifflichkeiten der Systemik, wie wir sie gelernt haben, angeeignet und bezeichnen solche Gruppen als Subsysteme, wir als ganzer Mensch, mit allen bekannten und unbekannten Anteilen, nennen wir System) haben wir die Möglichkeit in Kontakt zu treten. Wir können bedürftige Innenpersonen (z.B. traumatisierte Kinder) an innere, imaginierte, sichere Orte schicken oder – falls es (wie in den meisten Fällen) nicht funktioniert einen imaginierten sicheren Ort zu schaffen, so können sich andere Innenpersonen nach ihren Fähigkeiten kümmern.

Es ist also schon eine Basis vorhanden.

Für die jetzige Therapie haben wir klar gemacht, dass es uns kurzfristig nicht um „Frisur und Make-up“ geht, sondern, dass wir jetzt diese Therapie machen um dort zu graben, wo es vor sich hinschimmelt, dass man es bis nach draußen riechen kann. Was wir auch tun, das, was aus uns versucht wurde zu machen, das was wir auch sind, beeinflusst und heute kaum weniger als noch vor ein paar Jahren. So viele eingepflanzte Überzeugungen, die es fast unmöglich machen gesunde Entscheidungen zu treffen. So viel zerstörtes, dass man seine gesamte Energie darauf verwendet, dass es nach außen nicht so auffällt, dass man imitiert, wie man angemessene Gefühle äußert, dass man Nähe spielt, ohne je wirklich zu vertrauen.

Wir wissen um diese Untiefen. Wir wissen, wie man ein Kind seiner Bindung berauben kann. Ich weiß, dass ich meine Mutter bestimmt liebe, aber ich habe mich auch als Kind nie nach meiner Mami gesehnt, wenn ich krank war. Ich wollte nie zu ihr (oder einer der anderen „Bezugspersonen“) laufen, um ihnen zu erzählen, was der freche Andi heute in der Schule wieder angestellt hat. All diese Menschen waren mir egal. Und auch, wenn ich heute mit viel Mühe versuche eine Beziehung zu meiner Mutter (die übrigens nie aktive Täterin an mir war, sie war nur die unglückliche Seele, die mich austragen musste) aufzubauen, so trifft es mich doch immer wieder, wie egal es mir ist. Stürbe sie, so wäre meine erste Sorge, wie ich ihren Nachlass verwalten soll und wie man eine Beerdigung organisiert.

Für mich ist es eine dieser Abgründe. Mit Bindungen war ich schon als Kind nicht zu ködern. Einmal in unserem Leben, haben sich welche von uns „verwoben“. Ich hoffe es war nicht das letzte Mal.

So, wie schlage ich nun den Bogen?

Was mich ja eigentlich beschäftigte war der Begriff „Kultidentität“, der mich und uns auf so vielen Ebenen traf. Die Therapeutin sprach davon, dass es für uns notwendig ist, dass wir uns mit dieser Kultidentität auseinandersetzen. Zunächst war mir nicht ganz klar, was sie meint. Glaubt sie da gibt es einen einzigen Anteil, der sämtliches Gedankengut der RiGaG in sich vereint und mit dem müsse gearbeitet werden? Nein, so sieht sie es offensichtlich nicht. Sie sprach damit den Teil unserer Gesamtpersönlichkeit, des gesamten Systems an, der in der RiGaG entstanden ist, deren Gedankengut vertritt, der darin gefangen ist, aber noch mehr betonte sie die Anteile, die in der RiGaG ja ihre Heimat gefunden haben. Die dort jemand waren. Die Gefühle der Grandiosität, die mit bestimmten Aufgaben oder einfach dem „Stand“ einhergehen, das Ausleben von sadistischen Gelüsten. All die Widerwärtigkeiten, die man sehr gerne von sich abschiebt.

Ein weinendes und sich vor Schmerzen windendes Innenkind, dass gerade in einem Flashback eine Folterszene wiedererlebt mag für viele herzzerreißend sein. Aber der Mensch, der dieses Innenkind in sich beherbergt wird leichter Akzeptanz erfahren, als wenn statt des kleinen Kindes ein erwachsener Mann da steht, der süffisant grinst, deutlich macht, dass seiner Meinung nach alle anderen nur Bodensatz für ihn sind. Einer der  vielleicht mit Lust in seiner Stimme von Handlungen erzählt, die er noch gestern durchgeführt hat und die man hier nicht so ohne weiteres beim Namen nennen kann. Und es ist immer noch der gleiche Mensch, dessen Innenkind nur Stunden vorher Schutz unter einer Decke gesucht hat, sein Kuscheltier an sich nahm, den Daumen in den Mund steckte und nach seiner innerlich durchlebten Tortur endlich einschlief.

Das ist es also, was uns erwartet, wir schauen genauer hin. Arbeit mit der Kultidentität. Es geht um Bewusstseins- und Verhaltenskontrolle, wir mögen den Begriff „mind-control“ mit jedem Tag mehr, er erfasst mehr und ist doch deutlich kürzer. Wir wollten es ja auch. Wir wollten im zähen Morast waten, denn früher oder später breitet sich die Fäulnis aus dem inneren bis ganz an die Oberfläche durch – und so können und wollen wir nicht leben.

Radiobeitrag des BR2 „Multple Persönlichkeiten – ‚Ich bin viele'“

Auch wenn dieser Beitrag anfänglich doch sehr stereotypische Beispiele von Menschen mit Dissoziativen Identitätsstörungen (früher „Multiple Persönlichkeiten“) und vor allem die im Alltag geschehenden Persönlichkeitswechsel darstellt.

Mit den Part, der sich mit dem Verstecken der Wechsel, dem Erklären im Alltag und dem perfektionieren von Ausreden beschäftigt, kann ich mich besser identifizieren als mir lieb ist. Ebenso die Zeitverluste.

Trotz Stereotypie gibt es sehr viele Ansätze, die doch (besonders in der Kürze der Zeit) einen hilfreichen ersten Einblick geben können, auch weil dem Format entsprechend die Entstehung einer multiplen Persönlichkeit angesprochen wird.

Besonders der Beitrag von Ellert Nijenhuis, der sich auf dem aktuellen Stand der Forschung befindet, gibt viel Aussicht auf Verbesserung der Situation der Betroffenen.

Was deutlich wird: die Therapie, selbst eine angemessene mit erfahrenen Fachleuten, dauert sehr lange.

Radiobeitrag des Bayern 2 zum Thema „Multiple Persönlichkeit – ‚Ich bin viele'“

u.a. mit Michaela Huber und Ellert Nijenhuis

Quelle: Mediathek Bayrischer Rundfunk

Traumatherapeutensuche für komplextraumatisierte und stark dissoziative Menschen

(Inklusive einer Sammlung von Anlaufstellen und Listen, auf denen Therapeuten zu finden sind, die sich mit komplextraumatisierten und stark dissoziativen Klienten auskennen, weiter unten im Artikel.)

Wer es von meinen Lesern noch nicht weiß: einen kompetenten Traumatherapeuten zu finden ist so ähnlich wie einen 100€ Schein auf der Straße zu finden. Es ist keine übliche Situation und selbst wenn an dem 100€ Schein ein Zettel hängt, der klar macht, dass dieser für den Finder ist und er ihn so nutzen kann, wie er es gerade brauch. Viele werden dennoch Hemmungen haben und auf jeden Fall lange darüber nachdenken, womit sie das verdient haben. Andere ergreifen die Chance bei Schopfe. Jeder ist anders..

Eine ordentliche Traumatherapie ist mindestens genauso schwer zu finden, allerdings selten so einfach wie das Glück über den Geldschein zu stolpern. Es gibt leider genügend Psychotherapeuten, egal ob psychologische, Heilpraktiker, die auf mannigfaltige Art zur Psychotherapie befähigt wurden, oder Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie. Ich behalte mir vor sie einfach alle als (Psycho)Therapeuten zu bezeichnen, auch nutze ich die männliche Form als Sammelbegriff für alle Geschlechter. Ich bin ja schon umständlich genug. Wie gesagt, es gibt nicht genug, es gibt a insgesamt kaum genügend Psychotherapeuten um den allgemeinen Bedarf in der Bevölkerung abzudecken. Sucht man einen Traumatherapeuten, heißt das auch, dass dieser Mensch neben seiner kostspieligen Therapieausbildung, die er nun irgendwie abbezahlen muss, auch noch recht kostspielige Weiterbildung in der Diagnostik spezifischer Traumafolgestörungen, spezifischen Behandlungsmethoden und vieles mehr macht, um seinen Patienten optimal helfen zu können. Gerade in der Psychotherapie muss man ständig up to date sein, da sich dort in den letzten Jahren, besonders in der Traumatherapie, der Sicht auf bestimmte Traumafolgen und der Methodik sehr viel tut.

Als Mensch mit einer im Fach sogenannten „komplexen Traumatisierung“, also in der Regel Traumatisierungen, die nicht nur ein oder einige isolierte Male auftraten, sondern einen längeren Zeitraum des Betroffenen geprägt haben, hat man es schwer selbst unter den Traumatherapeuten jemanden zu finden, der bereit ist, sich mit diesen Traumata auseinanderzusetzen. Es ist nämlich nicht schön und potentiell in der Lage ein Weltbild auf den Kopf zu stellen. Ich verstehe es vollkommen, wenn ein Therapeut offen zugeben kann, dass er überfordert ist. Tut er das nicht, schadet er sich und dem Patienten – oft mehr als man glauben mag.

Ist man gleichzeitig noch stark dissoziativ und nehmen wir dafür das Ende der dissoziativen Fahnenstange, die dissoziative Identitätsstörung, dann hat man das Problem, dass man spätestens hier abgewiesen wird, weil den meisten Therapeuten zu schwierig, sie haben noch keine Erfahrung und trauen sich nicht recht an die Materie heran.

Es gibt natürlich Cracks und Koryphäen auf dem Gebiet der Behandlung von DIS und einigen, gelegentlich damit zusammenhängenden Themen wie organisierte Täterstrukturen, RiGaGs und den Tatsachen, dass nicht alle Klienten es bereits geschafft haben sich aus diesen schädlichen Strukturen zu lösen. Manchmal weil die „Alltagsanteile“ nichts davon wissen und andererseits, weil es immer schwer ist, egal wie sehr z.B. die Familie einem geschadet hat, den Kontakt komplett abzubrechen. Immerhin, es gibt sie. Leicht ist es nicht einen dieser begehrten Therapieplätze zu ergattern. Es gibt kilometerlange Wartelisten, denn die Plätze sind rar – ein schwerst traumatisierter Klient mit einer DIS ist eine Herausforderung und verantwortungsvolle Therapeuten arbeiten nur mit einer begrenzten Anzahl solcher Klienten, zu leicht verheizt man sich sonst in seinem eigenen Job – und wer einen Platz ergattert hat, befindet sich häufig für längere Zeit in Therapie.

Eine Freundin riet uns in etwa folgendes (stark paraphrasiert)

Wenn ihr einen Hintergrund mit mehrfachen Traumatisierungen habt, eventuell auch organisiert und gezielt für die Produktion von Kinderpornographie „verfeuert“ wurdet, Opfer von Kinder- und Zwangsprostitution wart oder seit, wenn ihr rituelle Gewalt erlebt habt oder noch erlebt, wenn ihr Opfer von Verhaltens- und Bewusstseinskontrolle wart, wenn ihr Foltererfahrungen hab und obendrauf noch eine schwere dissoziative Störung habt oder gar eine DIS (ich selber ziehe da keine harten Grenzen, erlebe aber, dass viele Therapeuten dieses eben doch tun), dann müsst ihr euch darauf einstellen, dass die Therapeutensuche langwierig, herausfordernd, oft frustrierend wird und es oft so scheint, als wäre diese Belastung der Mühe nicht wert.

Bleibt zäh!

Lasst euch nicht so schnell abwimmeln. Werdet ihr abgewiesen, weil alles voll ist, ruft spätestens 3 Monate später wieder an!

Bleibt standhaft!

Bleibt dran! Auch wenn ihr nicht durchkommt oder auf mehrere Mails oder Nachrichten auf dem AB keine Rückantwort bekommt: Bleibt dran. So hart es gerade für jemanden ist, dem es schlecht geht und der vielleicht soziale Ängste hat, Therapieplätze bekommen meist diejenigen, die am Ball bleiben.

Vergesst nie, dass ihr es wert seit Hilfe zu bekommen! – und wenn ihr das nicht glauben könnt, redet es euch dennoch ein, denn es ist wahr!

Nehmt unfreundliche Therapeuten am Telefon nicht persönlich, wer weiß, was denen morgens ins Müsli gefallen ist!

Lasst euch nicht entmutigen, auch wenn es leichter gesagt als getan ist!

Die echten Perlen findet man oft an den Orten, wo man sie kaum vermutet hätte, tauch weiter!

Holt euch Hilfe euren Frust loszuwerden, und wenn es „nur“ das Tagebuch ist! Sprecht mit anderen Menschen, lasst euch aufbauen und neuen Mut zusprechen! Wenn ihr alleine seit, helfen euch vielleicht Netz-Communities, Krisentelefone, Gespräche in der nächsten Beratungsstelle.

Wenn jemand von euch weitere Anlaufstellen kennt, die ich hier nicht aufgeführt habe, spezifische Listen oder Suchmaschinen, Adressen usw.: Habt bitte keine Hemmungen sie hier mitzuteilen. Mit eurem Einverständnis, würde ich die Angebote gerne in diesen Thread mit einbauen.

EMDRIA Deutschland e.V. ist ein Verband von Therapeuten mit Zertifizierten Ausbildungen in der Traumatherapiemethode EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Auf der Website findet sich auch eine Suchmaske, mit deren Hilfe man Therapeuten, die in Deutschland zertifizierte EMDR-Therapeuten sind, suchen kan. Die meisten der dort gelisteten Therapeuten, sind durchaus auch mit anderen Methoden der Traumabehandlung vertraut. Zur Therapeutensuche.Wer nicht in Deutschland sucht findet hier die Möglichkeit Therapeuten im europäischen Ausland zu finden.

DeGTB – Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie ist eine Fachgesellschaft, die es sich unter anderem zum Ziel gesetzt hat neue Erkenntnisse, Wissen und Informationen zu verbreiten und noch eine ganze Menge mehr. Es lohnt sich dort einmal vorbei zu schauen. Die DeGTB stellt auf ihrer Seite auch eine Suchmaske zur Verfügung, wo man geordnet nach geographischer Lage (hier ist es auch möglich neben Deutschland Therapeuten in Österreich, der Schweiz und in Luxemburg zu suchen), und einer Vielzahl weiterer Kriterien, wie Ausbildung des Therapeuten oder Art des Traumas, nach einem passenden Therapeuten gesucht werden kann. Gelistet sind nur Therapeuten, die DeGTB zertifiziert sind und entsprechende Ausbildungen in Psychotraumatologie abgeschlossen haben. Zur Therapeutensuche.

GPTG – Gesellschaft für Psychotraumatologie, Traumatherapie und Gewaltforschung. Der Name erklärt das Programm. Diese Organisation hat es  Das Besondere der GPTG ist meiner Meinung nach, dass man dort nicht nur nach Ärzten und psychologischen Psychotherapeuten suchen kann, sondern dass eine Vielzahl verschiedener Berufsgruppen, sowie Rettungsassistenten, Polizisten, genauso wie Pfarrer und Seelsorger dort Mitglied sind. Es gibt eine Seite „Hilfe und Beratung„, wo eine sehr Umfangreiche Linkliste, die für traumatisierte Menschen hilfreich sein könnte, zu finden ist, genauso wie Listen von Therapeuten, Kliniken, Fachkräften allgemein, Experten, Therapieformen und Finanzierungswege für eine ambulante Therapie. Eine Suchmaske für die Suche nach spezialisierten Traumatherapeuten in seinem Postleitzahlengebiet (neben Deutschland auch Österreich und die Schweiz) findet man direkt auf der Startseite.

VIELFALT e.V. ist ein Verein, der sich nun schon seit über 18 Jahren für die Information über Dissoziation und der Hilfe für dissoziative Menschen, bzw. im Besonderen für Menschen mit dissoziativer Identitätsstörung ein. Schon sein Jahren veröffentlicht VIELFALT jährlich eine Liste mit Kliniken, die spezielle stationäre Therapieangebote für Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD), für Menschen mit Komplextraumatisierungen und Dissoziativer Identitätsstörung, bzw. anderen stark ausgeprägten dissoziativen Störungen sowie Kliniken die Programme für traumatisierte Patienten, die gleichzeitig eine Suchtproblematik haben. Seit vielen Jahre bemüht sich VIELFALT schon darum eine Datenbank für Therapeuten anzulegen, die Traumatherapie auch für Klienten mit dissoziativen/r (Identitäts)Störung anbieten, sich zum Teil auch mit Themen wie ritueller Gewalt auskennen. Es ist möglich den Verein einfach anzuschreiben und eine Liste für Traumatherapeuten in seiner Region anzufordern. Die Mailadresse dafür lautet vielfalt@vielfalt.de, ansonsten erreicht ihr den Verein auf verschiedenen Wegen über diese Kontaktinformationen.
VIELFALT e.V. ist ein Verein, der wirklich Besonderes für Menschen mit DIS, in der Vergangenheit geleistet hat und dieses noch immer tut. Weihnachten steht ja vor der Tür und Menschen fühlen sich inspiriert gerade in dieser Jahreszeit sich ihrer sozialen Verantwortung noch stärker bewusst zu werden. Wer der westlichen Weihnachtstradition des Spendens föhnen möchte, dem darf ich diesen Verein noch einmal ans Herz legen. Möglichkeiten VIELFALT e.V. zu unterstützen findet ihr hier!

Wildwasser e.V. ist ein Verein, der sich vor allem an Mädchen und Frauen, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, aber auch an Freunde und Angehörige wendet. Wildwasser e.V. hat Beratungsstellen in vielen Städten und Regionen in Deutschland. Viele dieser Beratungsstellen arbeiten ja eng mit Betroffenen zusammen und begleiten viele auch bei der Therapiesuche. Meistens gibt es daher vor Ort eine Liste oder einen Karteikasten, wo Therapeuten verzeichnet sind und – und das kann hilfreich sein – mit Kommentaren von Patienten versehen sind. Es kann unter Umständen helfen so z.B. einige Therapeuten auszuschließen, weil diese nicht mit dissoziativen Klienten arbeiten oder im Gegenteil angeben dafür offen zu sein. Letztendlich ist es natürlich immer eine persönliche Entscheidung ob man mit einem Therapeuten zurecht kommt oder nicht, deshalb sollte man mit Erfahrungsberichten immer sehr bewusst umgehen. Wildwasser e.V. bietet auf seiner Seite auch die Möglichkeit nach Adressen von themenbezogenen bundesweiten Beratungsstellen in der eigenen Region zu suchen. Bei einigen der Beratungsstellen dort kann man euch sicher auch bei der Therapeutensuche helfen und euch eventuell in der Wartezeit begleiten.

Viele Städte haben sogenannte Trauma-Ambulanzen, die auch Behandlungen von Patienten anbieten, nach alle, aber viele haben Erfahrung mit komplextraumatisierten und stark dissoziativen Menschen. Manche können auch an passendere, niedergelassene Therapeuten vermitteln. In folgenden Städten findet ihr Trauma Ambulanzen (das hier ist nur eine Auswahl, denn die Liste ist lang, daher werde ich Links und Kontaktmöglichkeiten in einen separaten Artikel packen und diesen dann hier lediglich verlinken):
Trauma-Ambulanz des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München
Intensivierte Traumatherapie im ZIPB Berlin
Trauma-Ambulanz der Goethe-Universität in Frankfurt/Main
Trauma-Ambulanz des Universitätsklinikums in Münster

Es gibt auch gibt auch allgemeinere Methoden nach (Trauma)therapeuten zu suchen. Bei eurer Krankenkasse könnt ihr immer eine Liste von Therapeuten in euer Nähe anfordern. Ebenso könnt ihr die regionale Suche bei der Bundestherapeutenkammer nutzen. Auch einige der psychiatrischen Institutsambulanzen (kurz PIA genannt) der örtlichen psychiatrischen Krankenhäuser bieten neben akuter psychiatrischer und psychotherapeutischer Hilfe auch Hilfe bei der Suche nach geeigneten niedergelassenen Psychotherapeuten.

Es gibt diverse Websites, die Datenbanken haben, in denen man Therapeuten nach spezifischen Gesichtspunkten, wie z.B. Krankheit, Therapieform usw. auswählen kann. Häufig kann man dort auch direkt nach Traumatherapeuten suchen. Einige dieser Seiten sind, der Psychiatrische Informationsdienst (PID), der auf seiner Hauptseite auch einige nützliche allgemeine Informationen zur Therapeutensuche bereitstellt. Zusätzlich wird dort auch eine telefonische Beratung als Hilfestellung angeboten.

Bei der Therapeutensuche auf „therapie.de“ ist es ebenfalls möglich Therapeuten nach diversen Kriterien in seiner Region zu suchen.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Seiten, auf denen man psychologische Berater, Heilpraktiker, Gastalttherapeuten uvm. suchen kann. Ich habe mich hier auf die Anlaufstellen beschränkt, wo man – meiner Meinung nach – mit einer größeren Wahrscheinlichkeit einen Therapeuten oder eine Therapeutin findet, die Erfahrung mit der dissoziativen Identitätsstörung mitbringt, in der Lage ist auch persönliche Geschichten mit komplexen und verworrenen traumatischen Lebenserfahrungen zu „ertragen“, die einschätzen können, wie anstrengend eine Therapie mit solchen Klienten ist und die bereit sind zu den tief verborgen liegenden und vom Klienten gut geschützten Kernthemen vorzudringen.

„Es ist ganz einfach: du fühlst dich nicht gesehen!“

„Es ist doch ganz einfach: du fühlst dich nicht gesehen.“ sagte eine Freundin am anderen Ende der Leitung und es fiel mir wie die sprichwörtlichen Schuppen aus den Haaren (ok, das ist von Otto – aber der Mann besaß eine Weisheit, die wohl erst Generationen nach uns vollständig erfassen können).

Emotionen zu lernen, richtig einzuordnen und deren Intensität zu steuern ist eines meiner Lernthemen. Ich muss Unterschiede erkennen lernen, Emotionen aushalten können und angemessene Ventile finden – wahrscheinlich noch einiges mehr… wie gesagt: ich lerne.

Meine ehemalige Therapeutin sagte mir, dass ich ein „Verarbeitungsdreieck“ habe. Das schien eine ihrer zahlreichen, aber für mich sehr anschaulichen Wortschöpfungen zu sein. Entweder stehen eine depressive Episode, generalisierte Angst garniert mit Panikattacken oder chronische Schmerzen im Vordergrund. Je nachdem was gerade den größten Leidensdruck verursachte, wurde ein Symptom behandelt – oder oft: es wurde versucht ein Symptom zu behandeln. In jedem Fall aber sorgten diese vordergründigen Symptome dafür, dass das, was eigentlich dahintersteht, diese „Verarbeitungsmechanismen“ auslöst nicht gesehen wurde oder gesehen werden wollte. Besser schnell wieder fit für die Arbeit zu werden, besser den Partner nicht noch mehr belasten, besser meinen sozialen Verpflichtungen weiter nachgehen.

Stecke ich in einer depressiven Episode, erlebe ich oft eine emotionale Leere. Da weiß ich, dass ich wütend bin, wenn ein Partygast meine Lieblingstasse aus dem Fenster wirft, um zu schauen, ob er noch über das Nachbarhaus werfen kann. Da weiß ich, dass ich den besten nicht-ganz-Ehemann von allen über alles liebe. Ich weiß es, dennoch fühle ich nicht. Der Partygast kommt mit einem :“Boah, Alter…“ davon, mit dem geliebten Mann kann ich sprechen – und mein Leben besteht ja nicht nur aus depressiven Episoden.

Habe ich Schmerzen, sieht es nach außen wenig anders aus. Ich bin zu beschäftigt – naja, abgelenkt wäre wohl das bessere Wort – um die Enttäuschung zu fühlen, wenn jemand, den ich einst als Freund sah, sich aus egoistischen Gründen gegen mich wendet. Empfindungen Überdecken da viele Gefühle.

Stecke ich in einer Phase mit hoher Anspannung, generalisierter Angst und Panikattacken, da werde ich zur Druckkabine mit Fehlfunktion. Nach Außen hin scheine ich offensichtlich ruhig, eher teilnahmslos (Wie nützlich Feedback doch sein kann, ich sehe in mir immer so eine Art pinkfarbenen Hulk), innerlich bin ich kurz vor dem zerbersten. Jede Emotion verwandelt sich dann in Angst. Der Partytyp schmeißt meine Tasse aus dem Fenster? Pure Panik. Eine (der landläufigen Meinung nach) enttäuschende Mitteilung? Pure Panik. Die Feststellung, wie sehr ich meinen Mann liebe? Pure Panik. Aber wie gesagt, alles ist ruhig. Ich bin starr, bewegungslos, der Traum eines jeden Mitarbeiters einer geschlossenen psychiatrischen Station.

Dieser Umweg soll nur ein wenig erklären, warum es mir – meiner Meinung nach versteht sich – recht leicht fällt die eigenen Emotionen zurückzustellen, in Diskussionen die Metaebene zu finden um Situationen, die außer Kontrolle geraten verhältnismäßig heil wieder zurück auf de „Boden der Tatsachen“ zu bringen. Einerseits scheine ich von Natur aus mit einer etwas größeren Menge Geduld ausgestattet worden zu sein (so wurde es mir es mir in den letzten 30 Jahren jedenfalls immer wieder bestätigt), andererseits kommen mir eigene Emotionen selten in den Weg. Hilfreich – jedenfalls dann, wenn man auch die Person sein möchte, zu der man in Gruppen dann gerne gemacht wird, der Gruppenmoderator, der Selbsthilfegruppenleiter, der Quasi-Therapeut, der Betreuer oder eben der ruhige Mitläufer, der nicht weiter auffällt, weil er zu introvertiert ist (yeah, analyze thisss!). Ich hab dies mein Leben lang genau so gelebt. Ich habe mein Selbstbild darum herum geformt. Ich höre gerne zu, ich höre gerne auch immer wieder zu, ich versuche neue Perspektiven einzubringen, zu differenzieren, zu deeskalieren und was weiß ich nicht noch alles. Warum? Weil ich es kann, es eine gewisse Befriedigung mit sich bringt (ich bin ja schließlich weder Mutter Theresa noch Florence Nightingale)

„Es ist doch ganz einfach: du fühlst dich nicht gesehen.“ sagte diese Freundin und was vielleicht wie eine Banalität klingt ist die Essenz dessen worum ich mein Selbstbild herumgeschaffen habe. Ich fühle mich tatsächlich nicht gesehen. Und wenn ich noch so oft höre, dass ich jederzeit kommen könne und so sein könne wie ich bin, dann bitte ich Menschen mittlerweile diesen Satz nicht mehr zu vollenden. Denn meine Erfahrung ist: Ich kann kommen, wenn ich gefällig bin, wenn meine Stimmung nicht passt, wird mir die Tür vor der Nase zugeschlagen (oder der Hörer aufgelegt). Wenn ich eine (unaus)gesprochene Erwartung nicht erfülle erwarten mich Beschimpfungen, Drohungen, Schuldzuweisungen und Erpressungen. Wenn ich die mir zugesagte Rolle nicht erfülle, werde ich abgestoßen.

Es scheint mir im Moment, als würden nicht einmal meine Freunde oder die Freunde meiner Freunde mich sehen. Sie sehen mich in einer Funktion, die ich ihrer Meinung nach ausfülle und auch auszufüllen habe (nobody likes changes). Falle ich aus dem Schema und zwar aus eben dem, wo ich diejenige bin, die stets zur Hilfe eilt und vor allem vernünftig ist – und werde zu allem Übel auch noch Teil einer Situation, die sich im Nachhinein als triggernd für alle beteiligten Personen herausstellt,  bin ich/sind wir (als System), die ,die von Freunden/äußeren Beschützerfiguren der anderen Beteiligten dafür gescholten werden dies überhaupt zugelassen zu haben. Wir reden hier nicht über Minderjährige oder junge Erwachsene, sondern Menschen, die nicht aus Affekt und in Vorbereitung handeln.

Wenn wir dann zu den Menschen kommen, die mir einfach nur schaden wollen, da erlebe ich wie wenig Worte und Schwüre etwas zählen, wenn auf einmal das eigene Ego im Weg steht, wie schädlich die eigenen Familienbande sein können und wann man besser seinen Mund hätte halten sollen. Erfülle ich meine Funktionen nicht mehr: O-o-o-off with her head!!!

So schafft es eine Freundin mich ausgerechnet in einer Situation anzurufen, in der ich zuvor unter starkem Druck stand, was sie bemerkte, kommentierte, dann aber geflissentlich überging, denn sie hatte jetzt Sorgen. Ich ließ mich auf das Gespräch ein, stellte schnell fest, dass es wohl mal wieder „an der Zeit“ war und diese Freundin – geblendet von ihrer eigenen Angst, zugegeben – ihr gesamtes Repertoire an egozentrischem Verhalten aus den hintersten Ecken ihres Bewusstseins grub und ich verlor die Lust den Therapeuten zu spielen – etwas, was ja keiiiiner meiner Kontakte offen wünscht, aber wehe ich verlasse diese Straße…

Ich reagierte, mein Ton verlor Freundlichkeit, gab den Widerspruch nicht dort, wo er genehm war (lest mehr Ehrhart, bildet ungemein). Ich äußerte, was mich ärgerte und als alles nichts half wurde meine Stimme harsch, ebenso meine Worte. Schön, dass mittlerweile wenigstens eine Rationalisierung gefunden wurde, die den Schein aufrecht erhält, dass ich nicht bei Sinnen war, die von mir geäußerten Inhalte also nicht ernst zu nehmen seien. Dass auch mir der Bock ausgeht mich anflappen zu lassen, nur weil mein Gegenüber sich ausagieren möchte, sei hoffentlich verständlich.

Man sagte mir einmal, ich sei wie ein Dampfkessel, ich würde Probleme in mich hineinfressen und irgendwann platzen. Ich gebe zu, solche Zeiten gab es, aber die sind seit Jahren vorbei. Ich halte nichts davon hintenherum einem die übelsten Geschichten anzudichten und nach vorne freundlich zu tun und genauso wenig davon alles, was mich stört in mich hineinzufressen und bei dem berühmten Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt, in die Luft zu gehen. Ich sage meine Meinung und das mit so viel Diplomatie und Verständnis, wie ich in der Lage bin aufzubringen. Ich bin kein Dampfkessel mehr, denn das hat mich kaputt gemacht. Ich äußere mich gegenüber meinen Mitmenschen, ich tue dies vorsichtig, dosiert und freundlich, denn ich möchte niemandem schaden. Merke ich, dass ich nicht gehört werde, werde ich deutlicher bis zu dem Punkt, wo wirklich deutliche Worte fallen und scheinbar fallen müssen. Die Situationen, in denen ich mich hab hinreißen lassen und mit (teilweise nicht mal) gleicher (sondern eher Gummi-)Munition zurückgeschossen habe – denn auch ich vertrage nur ein gewisses Maß an Herablassung, Verbal Injurien, Provokationen und unangemessener Lautstärkeerhöhung, führten fast jedes Mal zur Eskalation – denn so darf ich mich ja nun wirklich nicht verhalten, ich hätte schließlich sachlich bleiben können. Jetzt ist mein Gegenüber nur noch gestresster…

Wenn ich immer wieder das gleiche sage(n muss, denn kein anderer tat es in der Vergangenheit oder tut es in anderen Situationen) und nach einigen Jahren und vorangehender Provokation selbst mein Geduldsfaden reißt, ja dann ist Polen offen, Holland in Not und die Amerikaner haben nun doch offiziell die Weltenherrschaft an sich gerissen – also für die anderen, nicht für mich. Bei mir steigt nur noch etwas Rauch aus den Ohren.

Ich höre: „Ja, wäre es nicht besser gewesen, wenn man die Diskussion kurz unterbrochen hätte und wieder auf ein sachliches Level gebracht hätte? – Natürlich. Genau das mach ich Tag ein Tag aus, aber – gerade nachdem es so oft diskutiert wurde: Du weißt wie man es tut, du weißt, wie du die Situation gerne hättest, also tut dir keinen Zwang an und krempel selbst mal die Hemdsärmel hoch.

Ich höre: „Bei mir wäre das viel besser angekommen, wenn du es mir in einem ruhigen Ton gesagt hättest.“ – Ehrlich? und die gezählten 48 Mal, wo ich genau das getan habe zählen nicht weil…? Oh, vergessen… na dann

Und dann ist Land unter, Polen offen, Holland in Not… aber bleiben wir in Europa.

Wer bin ich überhaupt? Jeder behauptet er will nicht, dass ich den Therapeuten für ihn spiele oder den Betreuer, aber die meisten verfallen in eine Krise, wen ich eben genau das tue, weil ich anders nicht mehr kann.

[Theatralik]

Wer bin ich? ICH WEISS ES NICHT! Ich bin dabei es herauszufinden und es ist verdammt nochmal schwer das herauszufinden, wenn die eigene Identität zersplittert ist, in tausend kleine und große Teile, wenn erst Drogen (=Medikamente) meines örtlichen Dealers (=Facharzt) mir helfen können ein Gefühlsleben zu entwickeln, das mich zugegebenermaßen in gleicher Weise fasziniert wie überfordert.

Ich wäre dankbar, wenn ihr einmal hochschaut und MICH seht, nicht das, was ich praktischerweise dargestellt habe über viele Jahre hinweg dargestellt habe, sondern das, was mich ausmacht.

[/Theatralik]

Ich mach mir da keine allzu großen Illusionen. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut und mein neues Selbstbild garantiert auch nicht, Ich will ja nicht alles über Bord werfen, nicht jemand „ganz anderes“ sein, nur die Freiheit nicht so zu funktionieren, wie andere es von mir gewohnt sind. Ich wünsche mir doch nur, dass mir weniger Steine in den Weg gelegt werden. Ich möchte nur zur Abwechslung mal nicht zurückstecken, einmal nicht auf gezielte Manipulationen eingehen, weil ich eigentlich etwas anderes bräuchte. Ich möchte sagen können, dass jemand in die falsche Richtung schreitet, denn aus dieser komme ich bereits und weiß was dort wartet und dann möchte ich, dass man mir wirklich Gehör schenkt, nicht, dass man auf mich, den Schwächling, niederblickt ohne selbst festzustellen, dass die eigenen Muskeln nur aufgepumpte Schwimmflügelchen sind.

Achso, ähh… stimmt ja, da war doch noch die Therapeutensuche

…mit der ich euch hier im Blog nun zum dritten Mal nerven werden. Ich muss dazu in den eigenen Artikeln spicken, denn so sinnvoll das Anonymisieren der beteiligten Personen sein mag, so unübersichtlich ist mir das gerade.

Hier ließ ich mich bereits über meinen Frust aus, hier… auch – aber beschrieb, wie ich mein Säckerl schnürte um auszog (mal wieder) der hiesigen Therapeutenlandschaft das fürchten zu lehren.

Reale Kontakte (dazu gehören keine Anrufbeantworter *grusel*) konnte ich nur, wie schon vorher der Fall mit Herrn Amudsen, nun auch mit Frau Brecht und Herrn Dr. Crumbiegel, wobei sich der Kontakt mit letzterem nur auf Telefonate und einige Mails beschränkte.

Herr Dr. Crumbiegel wäre für diese Stadt meine Präferenz. Er hat mit Abstand die meiste Erfahrung in der Behandlung von Patienten mit DIS mit einem Hintergrund von organisierter, bwz. ritueller Gewalt. Wir hatten das Glück, dass wir ihn nach einiger Beharrlichkeit tatsächlich persönlich an den Hörer bekamen. Wir erzählten von unserer Situation, stellten fest, dass er sich sogar noch an uns erinnern konnte (wir hatten vor mittlerweile 8 Jahren in anderen Zusammenhängen Kontakt) und er schilderte uns im Gegenzug seine gegenwärtige Position. Er führt keine Wartelisten mehr, da der Verwaltungsaufwand für ihn Formen annahm, die ihm Zeit nahm, die er lieber seinen Patienten widmen würde. Seine Vorgehensweise: Wer zuerst kommt malt zuerst. Er sagte mir den Zeitraum, wann er wieder einen freien Platz erwartet und ich kündigte ihm an, dass er ab dann täglich mein liebliches Stimmchen von seinem AB trällern hören wird. Wir witzelten beide noch ein wenig darüber und beendeten das Gespräch.

Bei mir hinterließ es den Gefühl jetzt in einem Wettrennen zu sein, jedenfalls so lange, bis mir aufging, dass die Suche nach einem Traumatherapeuten ein Wettrennen in sich ist.

Natürlich verzögerte sich der Termin für den freien Platz und wie mein Schicksal es so will, fiel Herrn Dr. Crumbiegel auch noch ein, dass es sich dabei nicht um eine Stelle für DIS-Patienten handeln würde, da könne er nicht absehen, wann ein Platz frei wird. Er bat um Verständnis, denn auch er müsse mit seinen Kräften und Ressourcen Haushalten und der Himmel weiß, dass ich das habe. Ich weiß wie sehr „unsereins“ (die einen mehr, die anderen weniger) von Therapeuten einen Neuaufbau des Weltbildes fordern, wie sehr die Kommunikation ein ständiger Eiertanz ist, wie viel projeziert wird, wie schwer es ist ein gewisses Grundvertrauen für eine sinnhafte Arbeit aufzubauen und wie oft dieses Vertrauen durch Provokationen getestet wird. Kurzum „Multis“ sind echt anstrengend. Ständig wechselnde innere Haltung, „Vibes“, „Energien“, Stimmungen – nenn‘ es wie es in dein Weltbild passt – können im Ergebnis für den Therapeuten auch gerne mal einem 10 Stunden Tag auf’m Bau in der prallen Sonne ähneln. Kurz gesagt: ich versteh den armen Mann. Milde Frustration machte sich jedoch in mir breit denn wir hatten im ersten Gespräch ja schon sehr deutlich geklärt, dass eine DIS vorliegt und er stellte auch allerhand Fragen dazu, dem Hintergrund, Vorbehandlung etc.pp., aber wie er ja deutlich betonte, er ist auch nur ein Mensch (und ich will nicht wissen, wie sein Schreibtisch aussieht und ob er einen Anrufbeantworter mit einer 2 TB großen Festplatte ausgestattet ist), kest la fife, wie der Franzose sagt.

Allerdings verwies er mich an eine Psychiatrische Institutsambulanz in der Nachbarstadt, da ich dort, wenn auch nicht regelmäßig, so aber doch von traumatherapieerfahrenem Personal betreut werden könne.

Schockierend aber wahr: Ich bekam dort schneller einen Termin als ich hätte Quidditch sagen können, auch wenn sich herausstellte, dass das mit dem traumatherapieerfahrenen Personal niiiiiiicht so ganz der Realität entspricht, aber offene und freundliche Menschen, sind mir dort begegnet und ich habe in jedem Fall eine Anlaufstelle, auch Fachärztlich (was eine andere Geschichte ist, zu der ein fast fertiger Artikel seit 5 Monaten in meinen Entwürfen mit vielen, vielen Freunden vor sich hinlungert) und „meine“ Therapeutin dort bemüht sich sehr mich bei „passenden“ Kollegen unterzubringen, da einige wenige doch über entsprechende Ausbildung und Erfahrung mit traumatisierten Patienten verfügen, falls sich in der Zusammenarbeit zu viele Fragen auftürmen würden, sich Überforderung einstellt, etc.

Mit Frau Brecht hatte ich zwischenzeitlich auch ein Erstgespräch. Nachdem sie mich beim ersten Telefonat mit ihr recht schnell abwürgen wollte, denn bei ihr würden vor Ende nächsten Jahres ohnehin keine Termine frei werden, sagte ich zu meiner inneren Höflichkeit (die in unserem System besonders durch die Innenperson Heide vertreten ist): „L%&§ mich!!!“, fiel der guten Frau ins Wort und erörterte im zugegebenermaßen nicht sachlichsten aller Tonfälle meine Odyssee. Als sie mir Namen anderer Therapeuten in der Stadt nannte, erzählte ich ihr, dass genau diese mich immer wieder zu ihr schickten – und oh Wunder: noch im gleichen Monat hatte ich einen Termin für ein Erstgespräch.

Nun ja… was soll ich sagen… you can’t get the jungle out of the tiger und Tiefenpsychologe/Analytiker bleibt Tiefenpsychologe/Analytiker, besonders, wenn er schon Jahrzehnte in seinem Beruf gearbeitet hat. Ich hatte leider nicht die Möglichkeit die meisten meiner Fragen zu klären, aber es wird wohl mindestens noch ein 2. Gespräch mit ihr geben. Wir haben glaube ich grundlegende Differenzen in der Weltanschauung und ich rechne es uns beiden hoch an, dass nicht sofort geblockt wird, sondern man den anderen etwas näher beschnuppern möchte.

Fazit: Ich weite meinen Suchradius um einige Kilometer aus.

…und wenn ich mir nun doch einen Therapeuten suche?

Eine Ebene meines Selbst hat mit dem Thema endgültig abgeschlossen. Uns therapeutisch Hilfe zu suchen war – wenn es nicht kläglich scheiterte – selten so hilfreich, dass ich sagen würde die Kosten, die die Krankassen dadurch haben rentieren sich. In dem Artikel „Therapie oder nicht Therapie; das scheint hier die Frage“ sind wir schon einen kleinen Teil unsere persönlichen Frustes losgeworden. Das Lesen der Blogs der Mosaiksteinchen, Rosenblätter und Paulines konfrontiert und auch im Außen mit Themen, die innerlich täglich gewälzt werden. Auch hier bin ich wieder dankbar für dieses Blogphänomen. Es regt ungemein zum Denken an, man experimentiert für sich im stillen Kämmerlein, man lässt Hoffnungen wachsen.

Und ich? Ich schäme mich. Denn ich möchte das nicht mehr alleine durchstehen. Ja, verdammt noch mal, ich wünsche mir eine/n Therapeuten/in, der/die bereit wäre mit uns all die Probleme anzugehen, die es uns nicht erlauben ein größtenteils unbeschwertes Leben zu führen.

Ja, wir können ja schon so viel. Wir sind als System ja schon so unglaublich integriert, weil wir eine teilweise Co-Bewusstheit geschaffen haben und so furchtbar normal aussehen (das ist kein WITZ, so traurig das auch ist, so messen moderne Gutachter und Therapeuten „Erfolg“).

Und nein, wir brauchen keinen der uns imaginative Stabilisierungsübungen beibringt. Da die selten ihren Zweck erfüllten, haben wir unsere eigenen erfunden. Funktioniert.

Und jetzt?

Stabilisierung ist das weiteste, was selbsternannte Traumatherapeuten bereit sind zu gehen.

Ich wurde Zeuge von Therapeuten mit Therapien, die auf Menschen mit einer dissoziativen Persönlichkeitsstruktur abgestimmt war, Zeuge davon, dass sich nicht jeder von Klienten mit einem Hintergrund in organisierter Gewalt oder bekannten destruktiven Sekten abschrecken lässt.

Die lies in mir den Wunsch erstarken auch so etwas haben zu wollen. Wie angemessen das ist, kann ich nicht beurteilen. Logische Überlegungen sagen mir, dass ich eine geringe Chance habe, da ich nur einige wenige Therapeuten eines solchen Kalibers in der Nähe habe. Die alte Denkweise, die das meiste meines Bewusstseins ausfüllt, weil sie einfach überall ist sagt mir:

Du Dummerchen. Hast du noch immer nichts gelernt? Du hast den größten Fehler überhaupt begangen: Du wünscht es dir. Du weißt doch, dass alles, was du dir wünschst, für dich in unerreichbare Ferne rückt. Schau nicht mich so trotzig an, schau dir dein Leben an, die letzten Jahre reichen. Nun blick mir in die Augen und sage ich habe unrecht.

Nein Erfolg erwarte ich nicht, aber ich habe ein Fünkchen Hoffnung, dass irgendwann dieser Fluch, der sich über unser gesamtes Leben legt durchbrochen wird, nur für einen kurzen Moment. Hoffnung soll ja allen Qualen trotzen (THX Mosaiksteinchen)

Ich tu es jetzt einfach. Es kann ja nur schief gehen und mein Frust wird dabei kaum vergrößert.Ich versuche unterzukommen, denn ich möchte Hilfe mit den Sachen, die mir alleine über den Kopf wachsen. Es sind sehr erfahrene Therapeuten dabei, ich hatte das Privileg in der Vergangenheit in meist anderen Zusammenhängen gute Gespräche mit ihnen zu führen.

So hab ich Santa gespielt und mir eine Liste gemacht. Die ließ sich schnell ausdünnen. Übrig geblieben sind 5 Therapeuten im Umland. Zwei kenne ich bereits ein wenig und dass der eine sich noch an mich erinnert hat uns doch etwas gut getan, zumal der letzte Kontakt (anderer Zusammenhang) über acht Jahre her ist.

[Namen natürlich wie immer geändert]

Wir haben da den Therapeuten Christoph Amundsen. Wir hatten das Glück sehr schnell ein Vorstellungsgespräch bei ihm zu ergattern. Es befremdete ihn in der Anamnese zunächst, dass wir wohl mit einer relativ stoischen Geduld über Jahre hinweg immer wieder auf der Suche nach einer hilfreichen Therapie sind. Schien ihm noch nie untergekommen – was uns etwas befremdete, aber das passiert, wenn man vergisst nicht von sich auf andere zu schließen. Er ist ein älterer Mann, eine gewisse Lebenserfahrung setzen wir hier voraus aber es zeigte sich schnell, dass er mit unserem Hintergrund insgesamt vollkommen überfordert wäre. Er nahm uns dennoch auf seine Warteliste auf, die laut seinen Aussagen und Entschuldigungen sehr lang sei – wir finden ein Jahr im Vergleich wirklich Kindergeburtstag.

Herr Amundsen verwies mich in unserem gemeinsamen Gespräch an eine Frau Christine Brecht und bot an, dass ich ihn dort als Referenz angeben dürfe. Frau Brecht interessiert mich sehr. Sie nutzt Methoden in der Traumatherapie, die uns zum einen neu sind und zum anderen sehr danach klingen auf uns zu passen. Sie ist Analytikerin und würde so abrechnen. Ist etwas organisatorisches aber ein definitiver Bonus. Ich hoffe sehr, diese Frau bald kennenzulernen

Herr Amundsen empfiehlt mir genauso wie Frau Bender, die ich aus anderen Gründen einige Wochen zuvor besuchte, einen gewissen Herrn Dr. Richard Crumbiegel. Für uns nichts neues, wie kennen ihn ein wenig, halten seine therapeutische Arbeit für effizient und wir geben zu, dass wir mehr als Glück brauchen um den nächsten freien Termin zu ergattern. Wir sind ja überhaupt froh, dass er im Moment Patienten aufnimmt.

Als wir vor vielen Jahren schon einmal suchten, verwies er uns an seine Kollegin Cornelia Degen. Wir mochten sie auf Anhieb und hatten auch das Gefühl, sie würde und genügend hart rannehmen und auch über das nötige Hintergrundwissen verfügen. Wir haben bereits fast 2 Jahre auf ihrer Warteliste verbracht, bevor wir die Entscheidung trafen und mit einer weniger geschulten Therapeutin zu arbeiten. Wir würden gerne mit ihr arbeiten, wenn wir es nicht schaffen bei Dr. Crumbiegel unterzukommen und da wir sie bereits kennen, würden wir auch den weiteren Weg in Kauf nehmen.

Es gibt noch Sabrina Ebermann, allerdings wissen wir noch nicht viel über diese Therapeutin. Wir lassen uns überraschen.

Ja, ICH hoffe auf eine angemessene Therapie. Ich muss lernen meinen Frust beiseite zu schieben, sonst ist alles zum scheitern verurteilt

Orpheus ohne Rückfahrschein

Als mir bewusst wurde, dass das, was ich seit meiner Kindheit erleb(t)e Gewalt und Missbrauch ist (es mag paradox klingen, ich kannte die Begriffe, wusste, was dazu im Wörterbuch stand, konnte sie aber lange nicht mit dem, was ich erlebte, in Verbindung bringen), fiel es mir noch schwer die Folgen für mich in meinem Denken, Fühlen, Wahrnehmen und Handeln zu erkennen.

Ich lernte dann, dass das, was ich erfahren hatte, traumatisierend war. Ich lernte den Begriff Psychotrauma und erfuhr von Ärzten, dass ich offenbar unter einem solchen litt. Man erklärte mir dazu kaum etwas, aber ich habe mein Graecum und wusste, dass „Psychotrauma“ übersetzt in etwa „Verletzung der Seele“ bedeutet. Eine Vertraute schickte mir ein Selbsthilfebuch aus dem ich lernte, was es bedeuten kann traumatisiert zu sein. Ich lernte, dass viele meiner Verhaltensweisen, Gefühle und meiner Denkmuster Folgen der erlittenen Gewalt und dem Aufwachsen in einer dysfunktionalen Familienstruktur waren. Bis dahin war ich der Meinung dass ich so war, wie ich bin, weil ich einfach schlecht war. Ängste, Zwänge, Tics und Anfälle waren für mich Zeichen, dass ich wohl einfach mit einem „minderwertigen“ Gehirn geboren worden war, Depressionen ein Zeichen von Faulheit, scheinbar irrationale Verhaltensweisen ein Zeichen für Dummheit und die furchtbaren Bilder in meinem Kopf, die mich Tag und Nacht quälten zeigten doch nur zu deutlich, dass ich zu all dem anderen offenbar auch verrückt und wahnsinnig war.

Schnittwunden kann man nähen, Abszesse kann man eröffnen und gebrochene Knochen lassen sich schienen. Wenn sich körperliche Wunden heilen lassen, dann muss es doch auch Wege geben die seelischen zu heilen. Das schien mir logisch und ich machte mich auf den Weg der Heilung. Ich suchte mir neue therapeutische Unterstützung, kaufte Bücher, lieh Fachartikel, ging in Selbsthilfegruppen, denn ich wollte wissen, was auf mich zukommen sollte.

Immer wieder hörte ich, dass ich noch einmal zurück in die Hölle müsse, mich meinen Dämonen stellen, sie mir betrachten, sie mir bewusst machen, um dann gestärkt, genesen, integriert wieder zurückzukehren.

Ich schnürte meine feuerfesten Wanderschuhe und stieg hinab.

Wie bei fast allen neuen Wegen, die ich beschreite, begleitete mich eine Naivität, die dem härtesten Rocker die Milch einschießen lässt, und ein merkwürdiger Optimismus, der nur Kopfschütteln verdient hat. Dass ich dennoch Panik schob, ist für mich kein Widerspruch. Wie schlimm konnte es schon sein sich mental in die Hölle zu wagen und die Dämonen betrachten, wenn man mit dem ganzen Rest seines Seins noch immer in ihren Tiefen feststeckte.

Auf der Reise stellte ich fest, dass die von mir betretene Unterwelt aus Ebenen oder Schichten bestand, wie eine Zwiebel oder die Höllenkreise aus Dantes Inferno. Nur unterschieden sich die Kreise, die ich nach und nach betrat, nicht darin, wer dort gepeinigt wurde, sondern darin, was ich erneut und doch ganz anders zu erleben hatte.

Ich pflegte stets zu sagen, dass es nicht so schwer sein würde sich mit mir und meinem Hintergrund auseinanderzusetzen, schließlich sei das Schlimmste die Gewalt und der Missbrauch selbst gewesen. Je tiefer ich aber in die Abgründe meiner Herkunft und meines bisherigen Lebens eintauchte, desto klarer wurde mir, dass dieser Glaubenssatz, an den ich mich wie eine Ertrinkende klammerte, nicht der Realität entspricht. Was zu stimmen scheint ist, dass mir jetzt weniger Schaden zugefügt wird. Es werden nicht konstant neue Wunden geschlagen. Es tut aber nicht weniger weh. Auf eine ganz bestimmte Weise ist es schlimmer. Während ich aufwuchs und solange ich noch körperlich in den destruktiven Strukturen meiner Familie und der RiGaG feststeckte wurde alles, was ich dort erlebte – Dissoziation sei Dank – in kleine, feine Päckchen aufgeteilt und getrennt voneinander in meinen Hirnwindungen abgespeichert. Nun aber soll oder will ich verarbeiten. Was das bedeutet wird mir mit jedem Schritt, den ich wage, klarer. Einer der ersten Therapeuten, die ich aufsuchte, sagte mir ich müsse über das, was mir widerfahren ist, reden. Wenn ich das täte, wäre ich geheilt. Aus der multiplen Persönlichkeit würde automatisch eine einzige, ganze, unbelastete Person werden, wenn ich alles ausspreche.

Die Dinge beim Namen zu nennen ist ein wichtiger Schritt, aber nach meiner Erfahrung nicht alles und auch nicht so einfach, wie es zunächst scheint. Es ist schwer jemanden zu finden, der sich das, was man zu sagen hätte, anhören kann und will. Der erwähnte Therapeut stellte nach kurzer Zeit fest, dass er sich den Inhalten nicht gewachsen fühlt und damit war er auch nur einer in einer langen Reihe Ärzten und Therapeuten in ambulanten und stationären Settings, die mir rieten doch endlich über die Traumatisierungen zu sprechen – aber bitte woanders.

Fall man doch das Glück hat einen Ort zu finden, wo man aussprechen dürfte, was einem auf der Seele brennt und was einen so sehr geprägt hat, dann finden sich noch genügend innere Barrieren, die das zu verhindern wissen. Oft kennt man keine Worte, die annähernd beschreiben könnten, was man erlebt hat. Man hat ja nie darüber geredet. Es fehlt das Vokabular, denn vieles findet keine Entsprechungen im normalen Alltag. Zudem ist man lange darauf trainiert worden niemals auszusprechen, was hinter den verschlossenen Türen vor sich geht. Man muss kreativ werden, um diese Schweigegebote zu umgehen, viel Geduld mitbringen und Vertrauen lernen, um sie zu durchbrechen.

Reden ist wichtig um sich die Gründe für das Trauma bewusst zu machen. Reden allein ist aber nicht der ganze Verarbeitungsprozess, es kann ihn lediglich auslösen oder ein Teil von ihm sein. Will ich „heilen“, das Trauma integrieren, muss ich das, was dissoziiert wurde, re-assoziieren. Was abgespalten wurde, muss wieder zusammengesetzt werden. Eine Erinnerung besteht aus verschiedenen Ebenen, (Körper)Empfindung, Emotion, Fakten, Bilder und Bedeutung des Geschehenen. Bei dissoziierten Erinnerungen an traumatische Erlebnisse sind diese Ebenen voneinander getrennt. Zu einigen Erlebnissen habe ich nur einige Bilder, weiß aber nicht was eigentlich passiert ist. Getrennt davon sind Emotionen, Empfindungen oder das Faktenwissen. Bei uns ist es aufgrund der dissoziativen Persönlichkeitsstruktur so, dass die Ebenen dieser Erinnerungen auf verschiedene Personen verteilt sind. Eine empfindet immer wieder starke Schmerzen in den Fingerkuppen, ohne zu wissen warum. Eine zweite Person sieht vor sich Bilder von einer fixierten Hand und einer Zange, die an einem Fingernagel ansetzt. Eine dritte weiß, dass ihr die Fingernägel gezogen wurden und wieder jemand anderes weiß, dass dies getan wurde um für ein ganz bestimmtes Fehlverhalten zu bestrafen. Hass auf die Täter, Scham, weil man bestraft werden musste oder der Ekel vor den eigenen blutverschmierten Fingern werden von weiteren Innenpersonen getragen.

Man dissoziiert das Erleben, weil alle Aspekte auf einmal in dem Moment zu viel für die Psyche sind. Für uns stellt sich immer wieder die Frage, ob wir eigentlich vollkommen wahnsinnig geworden sind, wenn wir versuchen ein Ereignis mit all dem, was einzelne von uns dazu beitragen konnten, zu rekonstruieren. Gefoltert zu werden und zu dissoziieren ist leichter als alle Aspekte dieses Ereignisses auf einmal zu erleben. Es zerreißt einen förmlich, wenn man die Schmerzen spürt, das Gesicht des Täters vor sich sieht, durchgeschüttelt von widersprüchlichen Gefühlen und alles in dem Wissen, dass es hier keinen tieferen Sinn zu finden gibt. Warum hat er das getan? Weil er’s kann.

Je länger ich mich auf dieser Reise in meine Unterwelt befinde, je tiefer ich vordringe, umso deutlicher wird, dass mein halb gescherztes Motto „einmal Hölle und zurück, bitte“ nicht mehr ist als das – nämlich halb gescherzt. Es gibt kein Zurück. Nach all dem, was ich gesehen, gefühlt, erkannt habe kann ich nicht zurück. Zurück bedeutet zurück zum Leugnen, zurück zum abgespalten Leben, zurück zum verzweifelten Versuch wenigstens einen Anschein von Normalität zu schaffen. Selbst wenn ich das wollen würde (und noch gibt es immer wieder Phasen, in denen ich mir das wünsche), ich könnte es nicht, egal wie sehr ich mich anstrengen mag.

Es bleibt mir nur tiefer in die Hölle einzudringen, bis ganz auf den Grund und dann noch ein Stück tiefer, immer in der Hoffnung, dass sich ganz weit unten ein neuer Ausgang verbirgt.

„Die müssen sie schon wegsperren.“ – Vom Umgang mit schwierigen Anteilen

Jeder Mensch hat an sich Seiten, die ihm oder anderen unangenehm sind, die als schwierig empfunden werden oder unangemessen.

Hat man eine dissoziative Persönlichkeitsstruktur, bezieht sich dieses „Problem“ weniger auf einzelne Verhaltensweisen eines Individuums, sondern auf einige vollständige und separate Identitäten innerhalb eines Persönlichkeitssystems.

Als wir vor einiger Zeit auf der Suche nach einem Therapeuten waren, der uns helfen sollte einen Umgang mit uns als System zu finden und uns aus dem Griff des Täterkreises zu lösen, hatten wir unter anderem auch ein Telefonat mit einer Therapeutin, die von sich selbst behauptete Ahnung zu haben. Also machten wir einen Termin für ein Erstgespräch aus, zu welchem wir voller Hoffnung einige Wochen später fuhren. Im Laufe dieses Gespräches wich die anfängliche Hoffnung endlich einen Therapeuten gefunden zu haben, der wirklich helfen konnte, nach und nach aufkommender Enttäuschung und Ernüchterung. Obwohl diese Therapeutin behauptete schon „viele multiple Frauen erfolgreich therapiert zu haben“, warfen ihre Äußerungen zu dem Thema bei uns die Frage auf, ob wir da von dem Gleichen sprechen und ob diese Frauen, von denen sie (übrigens auch viel zu viel) berichtete, tatsächlich multipel waren, oder (und man möge mir das verzeihen) lediglich gelangweilte Hausfrauen, denen etwas mehr Aufmerksamkeit, als sie zu Hause bekommen, schon Hilfe zur Heilung genug war.

Eine ihrer Äußerungen war, dass sie erst bereit wäre mit uns in die therapeutische Arbeit einzusteigen, wenn wir es geschafft hätten sämtliche „unerwünschte“ Innenpersonen dauerhaft wegzusperren. „Unerwünscht“ war ihren Worten nach jeder Anteil, der destruktives Verhalten zeigte, sich z.B. selbst verletzte, Wutausbrüche hatte oder in irgendeiner Form täteridentifiziert und -loyal war. Sie riet dazu einen Kerker zu imaginieren, in den diese Innenpersonen geworfen werden würden und zu dicken Gitterstäben, die sie daran hindern sollten wieder an die Oberfläche zu kommen. Großzügig bot sie uns an, uns dabei zu helfen, wenn wir das selber noch nicht schaffen würden. Wir lehnten dankend ab und gingen wieder unserer Wege. Dafür war uns unser sauer verdientes Geld dann doch zu schade, denn sie war keine Psychotherapeutin, lediglich Heilpraktikerin, die einige Modulen Traumatherapie belegt hatte, und somit hätten wir sie selber gezahlt. Hätte sie getaugt, wären wir mehr als bereit gewesen die Kosten der Therapie selbst auf uns zu nehmen, allerdings war die oben wiedergegebene Äußerung nicht die einzige, die uns an ihrem Verständnis der Störung zweifeln ließ.

Anteile wegsperren.

Das ist ein Konzept, das damals (und zugegebener Maßen auch heute noch) für einige von uns eine große Verlockung darstellte. Wie ruhig könnte doch das Leben sein, wenn alle Innenpersonen dauerhaft verschwinden würden, die emotionalen Druck mit Selbstverletzung kompensieren, die es bis heute nicht geschafft haben ein gesundes Essverhalten an den Tag zu legen, deren Geduld an einem zu dünnen Faden hängt, die noch immer an ihrer Loyalität gegenüber einzelnen Tätern festhalten, die den Mist glauben, der ihnen in der RiGaG eingetrichtert wurde, die sich mit dem Verhalten einzelner Täter identifiziert haben und kurz alle, deren eigenes Verhalten so stark durch Familie, RiGaG und Leben in Zwangsprostitution beeinflusst wurde, dass sie in der normalen Taggesellschaft auffallen.

Und wenn wir schon dabei sind, können wir noch mehr Ruhe reinbringen, wenn wir die Anteile loswerden, die viel zu emotional sind, die bei jeder Gelegenheit einen Heulkrampf bekommen, das ist ja sowas von peinlich. Die männlichen Anteile können auch verschwinden, die haben in einem Frauenkörper ohnehin nichts verloren. Weg mit Teenagern mit zweifelhafter Körperhygiene und Wortwahl, Innenkinder, die sich nicht richtig artikulieren können – wer brauch die schon – oder überhaupt sämtliche Innenkinder, die nicht „herzerfrischend“ oder „niedlich“ gefunden werden (diese Worte hat ohne Witz mal jemand Außenstehendes benutzt), weil sie nicht still und artig sind, laut krähen, ungeduldig sind, Bedürfnisse äußern und keinen Charme, Witz oder erstaunliche kindliche Weisheit besitzen (Kunststück, wenn eine 5-Jährige schon 40 Jahre auf dem Buckel hat). Wenn wir dann noch alle traumatisierten, depressiven, verängstigten, psychotischen und zwanghaften Anteile in den Kerker geworfen haben, alles mit dicken Stahlgittern gesichert haben, können wir uns den Staub von den Händen klopfen und uns beruhigt zurücklehnen.

Übrig bleibt das ach so „niedliche und herzerfrischende“ Innenkind Iks, das darf dann zwei mal im Monat nach draußen und Bilder von Schmetterlingen und Regenbögen für die Therapeutin malen und die Innenpersonen Üpsilon und Tsett – wie praktisch, die eine übernimmt viele Aufgaben auf der Arbeit und die andere kocht und putzt. Dass Üpsilon jegliche Form von menschlichem Kontakt verabscheut und in Gesprächen mit Geschäftspartnern ein Desaster ist und Tsett weder lesen noch schreiben kann sind doch nur kleine Schönheitsfehler. Autofahren kann auch keiner mehr? Macht nichts, die Kiste kann der zukünftige Ex-Mann gleich mitnehmen, wenn er mit Hund und Kind, für die sich keiner der Übriggebliebenen verantwortlich fühlt, auszieht, denn immerhin waren es ja nicht Üpsilon und Tsett, die diesem haarigen Dreibein vor dem Altar ewige Treue geschworen haben.

Alles egal, denn endlich ist Ruhe.

Abgesehen davon, dass wir es für unmöglich (oder mindestens sehr sehr unwahrscheinlich) halten, dass eine ganze Kategorie an Innenpersonen dauerhaft so weggesperrt werden kann, dass vollständig verhindert wird, dass das Denken, Fühlen und Handeln der übrigen Innenpersonen beeinflusst wird, frage ich mich, ob man dem Menschen als Ganzes einen Gefallen damit tut, wenn man einen wichtigen Teil der Persönlichkeit ausschaltet. Oben erwähnte Therapeutin würde einem nicht-Multiplen kaum raten seine Wut in ein ausbruchsicheres Gefängnis zu stecken und keiner von beiden würde ernsthaft erwarten, dass sich das Agressionsproblem des Klienten von heute auf morgen in Luft auflöst. Nein, der Klient wird lernen mit seinen Emotionen umzugehen und weniger destruktive Verarbeitungsmechanismen entwickeln. Jeder weiß, dass umdenken und -lernen Zeit und Energie erfordert. Für Multiple gilt das nicht weniger. (Psycho)edukation ist das Zauberwort des 21. Jahrhunderts (und wenn nicht, dann leg ich das hier und heute einfach mal so fest). Verstehen verändert so vieles. Wie will ich als Arzt oder Therapeut für meinen Patienten eine Gesundung der Psyche erreichen, wenn ich konsequent wichtige und zum Überleben des Menschen notwendig gewesene Anteile abschneide. Ich amputiere einem Mann mit eitrigen Geschwüren ja auch nicht beide Beine mit den Worten: „Damit können sie die 100m Hürden noch schneller laufen als vorher!“.

Will ich als Multiple/r oder deren/dessen Therapeut/in (ab und an mal politisch korrekt sein hilft dem Gewissen) wirklich etwas verändern und vor allem verbessern, muss ich mich auch oder gerade mit den unangenehmen Anteilen auseinandersetzen, denn (auch) diese Anteile haben zum Überleben des gesamten Systems beigetragen. Ich wünschte auch oft, ich könne einen Flammenwerfer in die Hand nehmen und eine innere Brandrodung machen, wenn Franz, die braune Socke, in meinem Schädel „Heil Hitler“ brüllt, bloß weil die Dorfdeppen von der NPD mal wieder fähnchenschwingend die Kreuzung blockieren. Franz kennt nur den Mist, den sein Onkel und dessen Freunde ihm erzählt haben, die einzigen Menschen, die er je kennengelernt hat und auch der wird es früher oder später noch lernen. So ist es mit dem unerwünschten Verhalten anderer Innen auch. Irgendjemand musste den Schwachsinn nachplappern, der von Familie oder anderen Tätern eingetrichtert wurde, irgendjemand musste die Beine breit machen und wenn sich dann auch noch jemand gefunden hat, dem das nichts ausmacht und der vielleicht sogar Spass dabei hatte: prima, das ist eine gute Anpassungsleistung, auf die das System stolz sein darf. Viele der als schwierig oder unerwünscht angesehenen Anteile bringen Fertigkeiten und Fähigkeiten mit, die dem ganzen System von unschätzbarem Nutzen sein können, auch wenn das System oder diese Anteile selbst, dass oft nicht ganz glauben können.

Es lohnt sich im in den Dialog zu treten, auch wenn das – gerade am Anfang – nicht immer leicht ist.