Du hast die Erlaubnis

Du hast die Erlaubnis – auch wenn du sie dir nur heute oder nur für ein paar Stunden geben kannst – Du hast die Erlaubnis…

  • Dich jetzt nicht zusammenreißen zu müssen
  • Einmal nicht „stark“ zu sein
  • Nicht die Last der Welt auf deinen schmalen Schultern zu tragen, damit jemand anderes es vielleicht ein eenig leichter hat
  • Dir eine Pause zu gönnen
  • Die Fassade der allzeit furchtlosen Person einmal abzulegen und in den Putzschrank zu stellen
  • Dich sorgsam und liebevoll um dich zu kümmern
  • Dir genau so viel Zeit zu nehmen, wie du benötigst
  • Dich und all deine Gefühle, Gedanken und Erfahrungen anzunehmen, genauso wie wie sie dich geformt haben, genauso wie du in diesem Moment bist
  • Nicht zu urteilen, nicht in „gut“ und“böse“ zu denken
  • Frustriert zu sein oder traurig, erleichtert, fröhlich, unruhig, zufrieden, ängstlich, überfordert, unsicher, wütend, sorgend, verliebt…
  • Deine Gefühle auszudrücken
  • Aufzutanken, deine Akkus frisch aufzuladen. Das ist niemals Zeitverschwendung, du bereitest dich auf den nächsten Schneesturm vor

Wenn du es dir nicht erlauben kannst heut für dich selbst zu sorgen, dann bin ich gerne deine Vertretung. Du hast die Erlaubnis!

Nur so’n bisschen dunkelgräulich

Schieben wir es auf PMS, das hat noch niemandem geschadet.

Es ist mir noch immer finster zumute, nur  versuche ich nicht wie gestern einen 5000 Wörter Beitrag zu verfassen.

Ich bin vollgepumpt mit „legal Drugs“, was anderes habe ich nicht im Haus, eben alles was der nette Dealer um die Ecke (aka Facharzt für Allgemeinmedizin) mir zuschob. Die Ibus mildern den Schmerz immerhin ein wenig, die Haut wächst nach, besonders die Schleimhäute scheinen neue Rekorde aufstellen zu wollen (von denen war ja auch so gut wie nichts mehr übrig) und bläuliche, bzw violett-grün bis gelbliche Färbung der Haut kann man durch geschickte Lagerung, Kühlung (und dem richtigen Make-Up) minimieren. Allerdings hätte es Lolo Ferrari nie geschafft ohne Kollagen solche Schlauchbote von Lippen zu bekommen, wie ich sie jetzt mein Eigenen nennen darf

Ich bin „angefressen“ und übellaunig. Meine Nase ist gebrochen, ich habe mir schon wieder in die die Stelle unter der Lippe gebissen (wenigstens ging es diesmal nicht vollständig durch und ohne Zahnverlust vonstatten.) Diesmal war ich zu meinem Seelenfrieden selber Schuld (oder der Kater, der mich schlaftrunkenes Etwas von hinten anfiel, als ich in die Küche etwas Wasser holen wollte – es hätte ja auch was Leckeres für ihn dabei sein können… ein unverbesserlicher Optimist), habe einen Großteil der Erinnerungen und wieder so eine Begegnung der speziellen Art mit mir selbst gehabt: nämlich unter lautem knirschen und ohne nachzudenken die scheppe und zunehmend anschwellende Nase, vor allem deren höchst merkwürdig deformierte Scheidewand, wieder geradezurücken. Und ich bin bei allem, was mein Gesicht betrifft der Jammerlappen vor dem Herrn.

Natürlich war ich vorher erkältet.

Natürlich ist das Naseputzen ein Akt der Selbstgeißelung.

Natürlich frag ich mich mal wieder wie das mit diesem komischen Karma überhaupt funktioniert – wobei mir das ja die Grundzüge mittlerweile klar ist. Gut, dann frage ich mich eben, warum ich es nicht annehmen kann oder mag. So. Basta! Logik ist vor Stunden schlafen gegangen, hat mich hier wohl vergessen.

Warum bekommt der selbstgerechteste Lügner und Betrüger was er will, natürlich immer im Gewande des Märtyrer gekleidet und warum kämpfen sich die ehrlich und aufrichtigen Menschen tagtäglich ab, nur um  zu sehen wie die Lügner und Betrüger sich ihrer Habseligkeiten annehmen und ihre Nahrung vergiften (nicht nur, aber auch metaphorisch gesprochen).

Es mangelt mir noch gehörig an vernünftiger Einstellung. Jedenfalls jetzt in dieser Nacht.

Ach weißt du was: ich will jetzt nicht einsichtig sein. Nicht jetzt. Das Universum ist doch ein gewaltiger Tummelplatz für allerhand böswilliger Kreaturen. Die sind leicht zu zählen. Viel schlimmer sind doch all diejenigen, die egoistisch und ignorant ihren nächsten gegenübertreten. Die es nicht ertragen können selbst Fehler zu machen und Schuld auf sich zu laden. Der Kinderficker, der seine dreijährige Tochter bespuckt und sie Hure nennt, ihr die Schuld an allem gibt, weil sie ihn verführt hat. Der Politiker, der in seier Wahlkampfrede schon genau weiß, welche seiner Versprechen er nicht halten kann und wird. Dein Freund, der deine Ehefrau knallt und erwischt nur antwortet: „Ey, is halt passiert, was regste dich so auf, meinste es war für mich schön ein halbes Jahr verstecken zu spielen?“. Da ist der Mensch, der sich in dein Vertrauen schleicht, nur um  einen Weg an dir vorbei zu finden und dir das metaphorische Messer in den Rücken zu stoßen.

Wir haben doch alle Dreck am Stecken. Zugegeben… einige mehr als andere… aber darum geht es ja nicht.

Es geht auch nicht darum was wir getan haben, sondern wie wir damit umgehen.

Und genau das ist es, was mich kotzen lässt. Diese Selbstgerechtigkeit, dieses geheuchelte Märtyrertum, diese Ausreden, diese Lügen und gestohlenen Geschichten, dieser Narzissmus.

Oh ich wünschte mir ihr würdet lange genug eure eigene Schuld spüren, eure eigene Verantwortung übernehmen und den Mund aufmachen, ehrlich reden, wahrscheinlich das erste Mal in eurem Leben, anstatt genau diese Schuld und diese Verantwortung dem Nächstbesten ungefragt und mit Gewalt in den Schlund zu rammen

Ich ende mit Robert Frost, der hatte wenigstens vernünftige Themen, über die er schrieb:

Fire and Ice

 Some say the world will end in fire,
Some say in ice.
From what I’ve tasted of desire
I hold with those who favor fire.
But if it had to perish twice,
I think I know enough of hate
To say that for destruction ice
Is also great
And would suffice.

Der olle Robby meinte er wüsste genug über Hass. Ich könnt ihm ein paar Menschen zeigen, die ließen ihn seinen Klassiker noch einmal vollständig umschreiben

„Es ist ganz einfach: du fühlst dich nicht gesehen!“

„Es ist doch ganz einfach: du fühlst dich nicht gesehen.“ sagte eine Freundin am anderen Ende der Leitung und es fiel mir wie die sprichwörtlichen Schuppen aus den Haaren (ok, das ist von Otto – aber der Mann besaß eine Weisheit, die wohl erst Generationen nach uns vollständig erfassen können).

Emotionen zu lernen, richtig einzuordnen und deren Intensität zu steuern ist eines meiner Lernthemen. Ich muss Unterschiede erkennen lernen, Emotionen aushalten können und angemessene Ventile finden – wahrscheinlich noch einiges mehr… wie gesagt: ich lerne.

Meine ehemalige Therapeutin sagte mir, dass ich ein „Verarbeitungsdreieck“ habe. Das schien eine ihrer zahlreichen, aber für mich sehr anschaulichen Wortschöpfungen zu sein. Entweder stehen eine depressive Episode, generalisierte Angst garniert mit Panikattacken oder chronische Schmerzen im Vordergrund. Je nachdem was gerade den größten Leidensdruck verursachte, wurde ein Symptom behandelt – oder oft: es wurde versucht ein Symptom zu behandeln. In jedem Fall aber sorgten diese vordergründigen Symptome dafür, dass das, was eigentlich dahintersteht, diese „Verarbeitungsmechanismen“ auslöst nicht gesehen wurde oder gesehen werden wollte. Besser schnell wieder fit für die Arbeit zu werden, besser den Partner nicht noch mehr belasten, besser meinen sozialen Verpflichtungen weiter nachgehen.

Stecke ich in einer depressiven Episode, erlebe ich oft eine emotionale Leere. Da weiß ich, dass ich wütend bin, wenn ein Partygast meine Lieblingstasse aus dem Fenster wirft, um zu schauen, ob er noch über das Nachbarhaus werfen kann. Da weiß ich, dass ich den besten nicht-ganz-Ehemann von allen über alles liebe. Ich weiß es, dennoch fühle ich nicht. Der Partygast kommt mit einem :“Boah, Alter…“ davon, mit dem geliebten Mann kann ich sprechen – und mein Leben besteht ja nicht nur aus depressiven Episoden.

Habe ich Schmerzen, sieht es nach außen wenig anders aus. Ich bin zu beschäftigt – naja, abgelenkt wäre wohl das bessere Wort – um die Enttäuschung zu fühlen, wenn jemand, den ich einst als Freund sah, sich aus egoistischen Gründen gegen mich wendet. Empfindungen Überdecken da viele Gefühle.

Stecke ich in einer Phase mit hoher Anspannung, generalisierter Angst und Panikattacken, da werde ich zur Druckkabine mit Fehlfunktion. Nach Außen hin scheine ich offensichtlich ruhig, eher teilnahmslos (Wie nützlich Feedback doch sein kann, ich sehe in mir immer so eine Art pinkfarbenen Hulk), innerlich bin ich kurz vor dem zerbersten. Jede Emotion verwandelt sich dann in Angst. Der Partytyp schmeißt meine Tasse aus dem Fenster? Pure Panik. Eine (der landläufigen Meinung nach) enttäuschende Mitteilung? Pure Panik. Die Feststellung, wie sehr ich meinen Mann liebe? Pure Panik. Aber wie gesagt, alles ist ruhig. Ich bin starr, bewegungslos, der Traum eines jeden Mitarbeiters einer geschlossenen psychiatrischen Station.

Dieser Umweg soll nur ein wenig erklären, warum es mir – meiner Meinung nach versteht sich – recht leicht fällt die eigenen Emotionen zurückzustellen, in Diskussionen die Metaebene zu finden um Situationen, die außer Kontrolle geraten verhältnismäßig heil wieder zurück auf de „Boden der Tatsachen“ zu bringen. Einerseits scheine ich von Natur aus mit einer etwas größeren Menge Geduld ausgestattet worden zu sein (so wurde es mir es mir in den letzten 30 Jahren jedenfalls immer wieder bestätigt), andererseits kommen mir eigene Emotionen selten in den Weg. Hilfreich – jedenfalls dann, wenn man auch die Person sein möchte, zu der man in Gruppen dann gerne gemacht wird, der Gruppenmoderator, der Selbsthilfegruppenleiter, der Quasi-Therapeut, der Betreuer oder eben der ruhige Mitläufer, der nicht weiter auffällt, weil er zu introvertiert ist (yeah, analyze thisss!). Ich hab dies mein Leben lang genau so gelebt. Ich habe mein Selbstbild darum herum geformt. Ich höre gerne zu, ich höre gerne auch immer wieder zu, ich versuche neue Perspektiven einzubringen, zu differenzieren, zu deeskalieren und was weiß ich nicht noch alles. Warum? Weil ich es kann, es eine gewisse Befriedigung mit sich bringt (ich bin ja schließlich weder Mutter Theresa noch Florence Nightingale)

„Es ist doch ganz einfach: du fühlst dich nicht gesehen.“ sagte diese Freundin und was vielleicht wie eine Banalität klingt ist die Essenz dessen worum ich mein Selbstbild herumgeschaffen habe. Ich fühle mich tatsächlich nicht gesehen. Und wenn ich noch so oft höre, dass ich jederzeit kommen könne und so sein könne wie ich bin, dann bitte ich Menschen mittlerweile diesen Satz nicht mehr zu vollenden. Denn meine Erfahrung ist: Ich kann kommen, wenn ich gefällig bin, wenn meine Stimmung nicht passt, wird mir die Tür vor der Nase zugeschlagen (oder der Hörer aufgelegt). Wenn ich eine (unaus)gesprochene Erwartung nicht erfülle erwarten mich Beschimpfungen, Drohungen, Schuldzuweisungen und Erpressungen. Wenn ich die mir zugesagte Rolle nicht erfülle, werde ich abgestoßen.

Es scheint mir im Moment, als würden nicht einmal meine Freunde oder die Freunde meiner Freunde mich sehen. Sie sehen mich in einer Funktion, die ich ihrer Meinung nach ausfülle und auch auszufüllen habe (nobody likes changes). Falle ich aus dem Schema und zwar aus eben dem, wo ich diejenige bin, die stets zur Hilfe eilt und vor allem vernünftig ist – und werde zu allem Übel auch noch Teil einer Situation, die sich im Nachhinein als triggernd für alle beteiligten Personen herausstellt,  bin ich/sind wir (als System), die ,die von Freunden/äußeren Beschützerfiguren der anderen Beteiligten dafür gescholten werden dies überhaupt zugelassen zu haben. Wir reden hier nicht über Minderjährige oder junge Erwachsene, sondern Menschen, die nicht aus Affekt und in Vorbereitung handeln.

Wenn wir dann zu den Menschen kommen, die mir einfach nur schaden wollen, da erlebe ich wie wenig Worte und Schwüre etwas zählen, wenn auf einmal das eigene Ego im Weg steht, wie schädlich die eigenen Familienbande sein können und wann man besser seinen Mund hätte halten sollen. Erfülle ich meine Funktionen nicht mehr: O-o-o-off with her head!!!

So schafft es eine Freundin mich ausgerechnet in einer Situation anzurufen, in der ich zuvor unter starkem Druck stand, was sie bemerkte, kommentierte, dann aber geflissentlich überging, denn sie hatte jetzt Sorgen. Ich ließ mich auf das Gespräch ein, stellte schnell fest, dass es wohl mal wieder „an der Zeit“ war und diese Freundin – geblendet von ihrer eigenen Angst, zugegeben – ihr gesamtes Repertoire an egozentrischem Verhalten aus den hintersten Ecken ihres Bewusstseins grub und ich verlor die Lust den Therapeuten zu spielen – etwas, was ja keiiiiner meiner Kontakte offen wünscht, aber wehe ich verlasse diese Straße…

Ich reagierte, mein Ton verlor Freundlichkeit, gab den Widerspruch nicht dort, wo er genehm war (lest mehr Ehrhart, bildet ungemein). Ich äußerte, was mich ärgerte und als alles nichts half wurde meine Stimme harsch, ebenso meine Worte. Schön, dass mittlerweile wenigstens eine Rationalisierung gefunden wurde, die den Schein aufrecht erhält, dass ich nicht bei Sinnen war, die von mir geäußerten Inhalte also nicht ernst zu nehmen seien. Dass auch mir der Bock ausgeht mich anflappen zu lassen, nur weil mein Gegenüber sich ausagieren möchte, sei hoffentlich verständlich.

Man sagte mir einmal, ich sei wie ein Dampfkessel, ich würde Probleme in mich hineinfressen und irgendwann platzen. Ich gebe zu, solche Zeiten gab es, aber die sind seit Jahren vorbei. Ich halte nichts davon hintenherum einem die übelsten Geschichten anzudichten und nach vorne freundlich zu tun und genauso wenig davon alles, was mich stört in mich hineinzufressen und bei dem berühmten Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt, in die Luft zu gehen. Ich sage meine Meinung und das mit so viel Diplomatie und Verständnis, wie ich in der Lage bin aufzubringen. Ich bin kein Dampfkessel mehr, denn das hat mich kaputt gemacht. Ich äußere mich gegenüber meinen Mitmenschen, ich tue dies vorsichtig, dosiert und freundlich, denn ich möchte niemandem schaden. Merke ich, dass ich nicht gehört werde, werde ich deutlicher bis zu dem Punkt, wo wirklich deutliche Worte fallen und scheinbar fallen müssen. Die Situationen, in denen ich mich hab hinreißen lassen und mit (teilweise nicht mal) gleicher (sondern eher Gummi-)Munition zurückgeschossen habe – denn auch ich vertrage nur ein gewisses Maß an Herablassung, Verbal Injurien, Provokationen und unangemessener Lautstärkeerhöhung, führten fast jedes Mal zur Eskalation – denn so darf ich mich ja nun wirklich nicht verhalten, ich hätte schließlich sachlich bleiben können. Jetzt ist mein Gegenüber nur noch gestresster…

Wenn ich immer wieder das gleiche sage(n muss, denn kein anderer tat es in der Vergangenheit oder tut es in anderen Situationen) und nach einigen Jahren und vorangehender Provokation selbst mein Geduldsfaden reißt, ja dann ist Polen offen, Holland in Not und die Amerikaner haben nun doch offiziell die Weltenherrschaft an sich gerissen – also für die anderen, nicht für mich. Bei mir steigt nur noch etwas Rauch aus den Ohren.

Ich höre: „Ja, wäre es nicht besser gewesen, wenn man die Diskussion kurz unterbrochen hätte und wieder auf ein sachliches Level gebracht hätte? – Natürlich. Genau das mach ich Tag ein Tag aus, aber – gerade nachdem es so oft diskutiert wurde: Du weißt wie man es tut, du weißt, wie du die Situation gerne hättest, also tut dir keinen Zwang an und krempel selbst mal die Hemdsärmel hoch.

Ich höre: „Bei mir wäre das viel besser angekommen, wenn du es mir in einem ruhigen Ton gesagt hättest.“ – Ehrlich? und die gezählten 48 Mal, wo ich genau das getan habe zählen nicht weil…? Oh, vergessen… na dann

Und dann ist Land unter, Polen offen, Holland in Not… aber bleiben wir in Europa.

Wer bin ich überhaupt? Jeder behauptet er will nicht, dass ich den Therapeuten für ihn spiele oder den Betreuer, aber die meisten verfallen in eine Krise, wen ich eben genau das tue, weil ich anders nicht mehr kann.

[Theatralik]

Wer bin ich? ICH WEISS ES NICHT! Ich bin dabei es herauszufinden und es ist verdammt nochmal schwer das herauszufinden, wenn die eigene Identität zersplittert ist, in tausend kleine und große Teile, wenn erst Drogen (=Medikamente) meines örtlichen Dealers (=Facharzt) mir helfen können ein Gefühlsleben zu entwickeln, das mich zugegebenermaßen in gleicher Weise fasziniert wie überfordert.

Ich wäre dankbar, wenn ihr einmal hochschaut und MICH seht, nicht das, was ich praktischerweise dargestellt habe über viele Jahre hinweg dargestellt habe, sondern das, was mich ausmacht.

[/Theatralik]

Ich mach mir da keine allzu großen Illusionen. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut und mein neues Selbstbild garantiert auch nicht, Ich will ja nicht alles über Bord werfen, nicht jemand „ganz anderes“ sein, nur die Freiheit nicht so zu funktionieren, wie andere es von mir gewohnt sind. Ich wünsche mir doch nur, dass mir weniger Steine in den Weg gelegt werden. Ich möchte nur zur Abwechslung mal nicht zurückstecken, einmal nicht auf gezielte Manipulationen eingehen, weil ich eigentlich etwas anderes bräuchte. Ich möchte sagen können, dass jemand in die falsche Richtung schreitet, denn aus dieser komme ich bereits und weiß was dort wartet und dann möchte ich, dass man mir wirklich Gehör schenkt, nicht, dass man auf mich, den Schwächling, niederblickt ohne selbst festzustellen, dass die eigenen Muskeln nur aufgepumpte Schwimmflügelchen sind.

Verarbeitungsphase

Im Moment ist es hier ein wenig stiller.

In den letzten Wochen und Monaten haben wir einiges an Texten und Inhalten generiert und uns damit auch zwangsläufig auseinandergesetzt. Noch achten wir sehr darauf hier im Blog nicht allzu privat zu werden. Nicht zu intim – so paradox das vielleicht auch klingen mag, denn die hier behandelten Themen sind sehr persönlich. Was ich damit aber sagen möchte ist, dass wir, wenn wir hier schreiben, uns in aller Regel bemühen viel emotionalen Abstand zu halten. Ein bisschen Ironie, ein bisschen Sarkasmus, möglichst sachlich bleiben, all das hilft gut kurzfristig die Illusion zu kreieren, dass „das alles“ einen selbst nur marginal tangiert. Wir nähern uns der Thematik rituelle Gewalt, destruktive Familienstrukturen und systematischer Missbrauch wie einem Gedankenexperiment, wobei wir oft verdrängen, wie sehr unser eigenes Leben davon beeinflusst ist. Mit dieser Haltung schreiben wir hier und – durch das Bloggen angeregt – diskutieren wir mit Familie und Freunden (was wir im Übrigen als sehr produktiv wahrnehmen).

Ab und an und momentan verstärkt trifft uns die Erkenntnis, dass das tatsächlich unser Leben ist und was eigentlich alles ge- und zerstört ist, wie ein Faustschlag in die Magengrube. Dann ist es mit sonst gut aufrechterhaltenen Distanz zur eigenen Geschichte vorbei. Dann werden auch die emotionalen Dimensionen dessen, was wir sonst „nur wissen“, deutlich. Wir wissen, dass wir wahrscheinlich nie ein unbeobachtetes Leben führen werden, dann aber fühlen wir wir es auch.

Wir stecken gerade wieder in so einer Verarbeitungsphase. Das passiert in unregelmäßigen Abständen. Wir beschäftigen uns damit, wie es für uns war in unserer Herkunftsfamilie aufzuwachsen, wie sich systematische Folter und mind control auf der einen Seite und die Unberechenbarkeit der häuslichen Gewalt auf der anderen auf uns, unsere Wahrnehmung, unsere Denkstrukturen und unser Verhalten ausgewirkt hat. Wir erleben gerade lange verschüttete oder abgespaltene Emotionen, wenn auch eher in der „dritten oder vierten Reihe“, quasi im Hinterkopf, während man sich vorn versucht stabil zu halten und seinen (im Moment zugegebenermaßen sehr schönen) Alltag so gut es geht zu leben. Auch der Körper reagiert, „macht mit“. Wir erleben Furcht, Wut, Verwirrung und auch einige körperliche Schmerzen, die zu vergangenen Ereignisse gehören, wieder. Einige unserer Verhaltensmuster und verinnerlichten „Mantras“ werden uns deutlich. Wir verstehen ein wenig mehr.

In den stilleren Stunden wird all das noch deutlicher, noch plastischer, noch realer. Viel Schlaf gibt es so gerade nicht. Es ist erschreckend und wahrscheinlich würde ich hier durchdrehen, wenn ich nicht mittlerweile gelernt hätte, dass, bevor wir innerlich vollständig überflutet werden und zu ertrinken drohen, die altbewährten Schutzmechanismen greifen. Dissoziation, dein Fallschirm und dein Rettungsboot.