Nur so’n bisschen dunkelgräulich

Schieben wir es auf PMS, das hat noch niemandem geschadet.

Es ist mir noch immer finster zumute, nur  versuche ich nicht wie gestern einen 5000 Wörter Beitrag zu verfassen.

Ich bin vollgepumpt mit „legal Drugs“, was anderes habe ich nicht im Haus, eben alles was der nette Dealer um die Ecke (aka Facharzt für Allgemeinmedizin) mir zuschob. Die Ibus mildern den Schmerz immerhin ein wenig, die Haut wächst nach, besonders die Schleimhäute scheinen neue Rekorde aufstellen zu wollen (von denen war ja auch so gut wie nichts mehr übrig) und bläuliche, bzw violett-grün bis gelbliche Färbung der Haut kann man durch geschickte Lagerung, Kühlung (und dem richtigen Make-Up) minimieren. Allerdings hätte es Lolo Ferrari nie geschafft ohne Kollagen solche Schlauchbote von Lippen zu bekommen, wie ich sie jetzt mein Eigenen nennen darf

Ich bin „angefressen“ und übellaunig. Meine Nase ist gebrochen, ich habe mir schon wieder in die die Stelle unter der Lippe gebissen (wenigstens ging es diesmal nicht vollständig durch und ohne Zahnverlust vonstatten.) Diesmal war ich zu meinem Seelenfrieden selber Schuld (oder der Kater, der mich schlaftrunkenes Etwas von hinten anfiel, als ich in die Küche etwas Wasser holen wollte – es hätte ja auch was Leckeres für ihn dabei sein können… ein unverbesserlicher Optimist), habe einen Großteil der Erinnerungen und wieder so eine Begegnung der speziellen Art mit mir selbst gehabt: nämlich unter lautem knirschen und ohne nachzudenken die scheppe und zunehmend anschwellende Nase, vor allem deren höchst merkwürdig deformierte Scheidewand, wieder geradezurücken. Und ich bin bei allem, was mein Gesicht betrifft der Jammerlappen vor dem Herrn.

Natürlich war ich vorher erkältet.

Natürlich ist das Naseputzen ein Akt der Selbstgeißelung.

Natürlich frag ich mich mal wieder wie das mit diesem komischen Karma überhaupt funktioniert – wobei mir das ja die Grundzüge mittlerweile klar ist. Gut, dann frage ich mich eben, warum ich es nicht annehmen kann oder mag. So. Basta! Logik ist vor Stunden schlafen gegangen, hat mich hier wohl vergessen.

Warum bekommt der selbstgerechteste Lügner und Betrüger was er will, natürlich immer im Gewande des Märtyrer gekleidet und warum kämpfen sich die ehrlich und aufrichtigen Menschen tagtäglich ab, nur um  zu sehen wie die Lügner und Betrüger sich ihrer Habseligkeiten annehmen und ihre Nahrung vergiften (nicht nur, aber auch metaphorisch gesprochen).

Es mangelt mir noch gehörig an vernünftiger Einstellung. Jedenfalls jetzt in dieser Nacht.

Ach weißt du was: ich will jetzt nicht einsichtig sein. Nicht jetzt. Das Universum ist doch ein gewaltiger Tummelplatz für allerhand böswilliger Kreaturen. Die sind leicht zu zählen. Viel schlimmer sind doch all diejenigen, die egoistisch und ignorant ihren nächsten gegenübertreten. Die es nicht ertragen können selbst Fehler zu machen und Schuld auf sich zu laden. Der Kinderficker, der seine dreijährige Tochter bespuckt und sie Hure nennt, ihr die Schuld an allem gibt, weil sie ihn verführt hat. Der Politiker, der in seier Wahlkampfrede schon genau weiß, welche seiner Versprechen er nicht halten kann und wird. Dein Freund, der deine Ehefrau knallt und erwischt nur antwortet: „Ey, is halt passiert, was regste dich so auf, meinste es war für mich schön ein halbes Jahr verstecken zu spielen?“. Da ist der Mensch, der sich in dein Vertrauen schleicht, nur um  einen Weg an dir vorbei zu finden und dir das metaphorische Messer in den Rücken zu stoßen.

Wir haben doch alle Dreck am Stecken. Zugegeben… einige mehr als andere… aber darum geht es ja nicht.

Es geht auch nicht darum was wir getan haben, sondern wie wir damit umgehen.

Und genau das ist es, was mich kotzen lässt. Diese Selbstgerechtigkeit, dieses geheuchelte Märtyrertum, diese Ausreden, diese Lügen und gestohlenen Geschichten, dieser Narzissmus.

Oh ich wünschte mir ihr würdet lange genug eure eigene Schuld spüren, eure eigene Verantwortung übernehmen und den Mund aufmachen, ehrlich reden, wahrscheinlich das erste Mal in eurem Leben, anstatt genau diese Schuld und diese Verantwortung dem Nächstbesten ungefragt und mit Gewalt in den Schlund zu rammen

Ich ende mit Robert Frost, der hatte wenigstens vernünftige Themen, über die er schrieb:

Fire and Ice

 Some say the world will end in fire,
Some say in ice.
From what I’ve tasted of desire
I hold with those who favor fire.
But if it had to perish twice,
I think I know enough of hate
To say that for destruction ice
Is also great
And would suffice.

Der olle Robby meinte er wüsste genug über Hass. Ich könnt ihm ein paar Menschen zeigen, die ließen ihn seinen Klassiker noch einmal vollständig umschreiben

Wir sind eins.

Du und ich: Wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen.
(Mahatma Gandhi)

Was Gandhi verstand, lehrt der Buddhismus seit Jahrtausenden und selbst John Donne wusste, dass „kein Mensch […] eine Insel“ ist. Aber gerade wir, in unserer westlichen, ach-so-aufgeklärten Gesellschaft, tun gerne so, als ob all unser Tun keine Konsequenzen nach sich ziehen würde. Es fällt mir schwer ruhig zu bleiben, wenn Menschen Begrifflichkeiten wie „Verantwortung“ als „Un-wort“ abtun. Das lässt tief blicken. Sind wir soweit, dass nur der eigene, kurzfristige Nutzen Maßstab für unser Handeln wird? Wir nehmen dankbar mit, was wir kriegen können. Welche Auswirkungen das auf andere haben könnte scheint uns egal – schließlich ist nun mal  jeder nur für sich selbst verantwortlich.

Ernsthaft?

Was wir sagen und tun gestaltet unsere Umwelt, es beeinflusst andere, genau wie uns selbst. Schaffe ich mir ein Umfeld, in dem das Handeln von Gewalt bestimmt wird, so zerstöre ich andere, die Gemeinschaft und im letzten mich selbst.

Die Gesetzmäßigkeiten einer menschlichen Gesellschaft sind allzu oft auch auf die Strukturen eines multiplen Persönlichkeitssystems übertragbar. In diesem speziellen Fall vielleicht sogar noch deutlicher. Ein multiples System zeichnet sich dadurch aus, dass Anteile der Gesamtpersönlichkeit unabhängig Kontrolle über Fühlen, Denken und Handeln übernehmen können, oft ohne auch nur voneinander zu wissen. Das bringt viele Probleme mit sich. Diese scheinbare Unabhängigkeit führt nicht selten dazu, dass sich Anteile oder Innenpersonen Betroffener lange weigern zusammenzuarbeiten und dass Ärzte und Therapeuten noch immer glauben, es wäre im Interesse des Betroffenen die „unerwünschten“ Anteile zu unterdrücken, dauerhaft „wegzusperren“ oder zu „töten“.

Unerwünscht ist gern alles, dessen Handeln nicht verstanden wird. Geurteilt wird schnell, nachgefragt nur selten. Dabei war für uns der erste Schritt zum eigenen Verständnis zu begreifen, dass wir als Teile eines multiplen Systems eben nicht unabhängig voneinander existieren und der Glaube, unser jeweiliges Tun betrifft entweder andere oder uns selber nicht, ein Trugschluss ist. Erst nach dieser Erkenntnis waren Kapazitäten frei die Motivationen hinter den Handlungen der einzelnen Anteile oder Innenpersonen zu begreifen. Auch half das Verstehen, dass wir alle in Abhängigkeit voneinander so existieren wie wir sind, besser zu akzeptieren, dass es (noch) kein einheitliches Leben und Erleben – so wie es ein nicht-Multipler wahrscheinlich wahrnimmt – gibt.

Wir sind eins. Nicht in der Form eines „normalen“, einheitlichen Identitätserlebens, auch heißt es nicht wir sind alle einer Meinung (nichts wäre ferner der Wahrheit), aber wir begreifen Schritt für Schritt, dass wir nicht unabhängig voneinander existieren können, egal wie sehr bisweilen diese Tatsache ignoriert wird.