Sommertag – Pt II

Ein Ausschnitt aus unserer Kindheit, rekonstruiert aus den Erinnerungen verschiedener Innenpersonen. Im geschriebenen Wort ist es nicht so leicht diese Brüche oder Wechsel darzustellen. Wir haben es hier einfach mal mit verschiedenen Farben versucht, wobei jede Farbe für das Erleben oder die Erinnerung einer Innenperson steht. Der Text ist insgesamt etwas länger geworden, darum teilen wir ihn auf. Einige Teile enthalten expliziter Darstellungen von z.T. sexualisierter Gewalt und sind daher durch ein Passwort geschützt, welches z.B. hierüber erfragt werden kann.

Sämtliche Namen, auch die der erwähnten Innenpersonen aus unserem System oder dem unserer Cousine, sind wie immer verändert.

Sommertag – Pt I

Ich wasch mir meine Hände, die sind ganz schön dreckig und die Arme gleich mit. Meine Cousine stellt sich zu mir ans Waschbecken und schaut genau in den Spiegel. „Nun sag doch endlich, hab ich noch was in den Haaren?“ Ich schaue nach, finde einen Grashalm, den ich ihr gebe und einen Käfer, von dem ich ihr lieber nichts erzähle, sonst erschrickt sie und fängt an zu weinen und überall unsichtbares Krabbelgetier zu sehen. Wir ziehen uns ganz aus, legen die Kleider auf den Klodeckel und die Unterwäsche daneben. Wir kriegen später sowieso frische. Ich finde das toll. Meine Cousine und ich dürfen, wenn wir zusammen sind immer die gleichen Sachen tragen. Wir sind fast wie Zwillinge sagen immer alle. Wir sind ja auch fast am gleichen Tag geboren und gleich alt. Wir schaun uns so ähnlich, nur die Haarfarbe stimmt nicht ganz.

Wir waschen uns überall, trocknen uns gut ab und meine Cousine macht die Tür auf und kräht:“Wir sind fääääärtiiiiig!“.

Ich zische sie leise an und boxe sie in die Seite. Was, wenn das schon zu viel war, dann mag ich dem Onkel gar nicht unter die Augen treten müssen.

Diesmal kommt der Onkel und nimmt uns beide an die Hand, innerlich duck ich mich schon, aber er schaut ganz entspannt und zufrieden aus, er tätschelt mir sogar den Kopf. Also ist alles gut.

Er bringt meine Cousine und mich die Treppe rauf. Ich löse ich wieder auf.

„Hübsch schauen meine beiden Mädchen aus“, sagt er,“Ich bin stolz auf euch und ich möchte das auch bleiben.“ Ein strenger Blick für beide von uns.

„Laura, Anna, Onkel Albert ist schon im Zimmer oben links und wartet auf euch. Enttäuscht mich nicht, ihr seit doch meine besten Mädchen.“ Er lächelt. „Habt Spaß meine zwei Süßen“. Er stellt uns nebeneinander, fasst jeder noch einmal auf die Schultern. Als er mir in die Augen schaut (und das wichtig bei ihm, er wird sehr böse, wenn man ihm nicht gleich in die Augen schaut, wenn er einen anspricht) spüre ich diesen Blick der mich wirklich sticht, auch wenn er lächelt. Ich bin Anna, ich weiß ganz genau was zu tun ist, wie ich mich jetzt zu verhalten habe. Ich lächle und meine Augen können das auch. Ich mag auch, dass ich so viel Aufmerksamkeit bekomme und dass es etwas gibt, dass ich gut kann. Ich mag es, wenn ich gelobt werden. Ich mag es, wenn jemand zu mir sagt: „Das hast du gut gemacht.“ Außerdem mag ich den Onkel Albert. Wenn es etwas gibt, was ich nicht gut genug kann, dass Onkel Albert zufrieden ist, dann weiß ich ein anderes Mädchen im Körper, dass das besser kann als ich.

Ja, ich weiß, dass es da andere gibt, ich höre sie, ich fühle sie, weiß, dass sie da sind. Dass man darüber nicht spricht weiß ich auch, das hat mein Onkel uns erklärt, der Cousine und mir. Sie ist nämlich genau so. Wir sind etwas Besonderes und Laura, das eine Mädchen in meiner Cousine und ich, wir gehören zusammen. Ist die eine da, ist auch die andere da.

Laura nimmt mich bei der Hand und gemeinsam gehen wir die Treppe hinauf. Dort oben gibt es drei Zimmer, eine geradeaus und rechts und links die Gästezimmer. Onkel Albert ist Gast bei meinem Onkel und Gäste werden anständig bewirtet, so sagt meine Tante immer. Meine große Cousine hat mal gesagt: „Und dazu gehört mehr als ein Stück Kuchen und Kaffee, das ist hier so Brauch.“ Meine Tante hat ihr damals eine schallende Ohrfeige gegeben.

Vor der Tür des linken Zimmers bleiben Laura und ich kurz stehen, schauen uns gegenseitig an, mustern uns kurz, ob alles in Ordnung ist, ob das Lächeln gut ist.

Sommertag – Pt II

Sommertag – Pt III

Sommertag – Pt I

Ein Ausschnitt aus unserer Kindheit, rekonstruiert aus den Erinnerungen verschiedener Innenpersonen. Im geschriebenen Wort ist es nicht so leicht diese Brüche oder Wechsel darzustellen. Wir haben es hier einfach mal mit verschiedenen Farben versucht, wobei jede Farbe für das Erleben oder die Erinnerung einer Innenperson steht. Der Text ist insgesamt etwas länger geworden, darum teilen wir ihn auf. Einige Teile enthalten explizite Darstellungen von z.T. sexualisierter Gewalt und sind daher durch ein Passwort geschützt, welches z.B. hierüber erfragt werden kann.

Sämtliche Namen, auch die der erwähnten Innenpersonen aus unserem System oder dem unserer Cousine, sind wie immer verändert.

Ich erinnere mich noch recht genau. Genau so, wie die meisten meiner Erinnerungen sind. Sie sind wie Dias, Makroaufnahmen, Kurzfilme.

Die Sonne scheint, es ist alles recht grell. Die Sonne mochte ich nie, denn sie verbrennt mich und ich sehe so wenig. Ich stehe am Terrassentisch, der hat so lustige Bommel, die überall an dem Tischtuch herunterhängen, fast auf Augenhöhe. Deshalb waren sie vielleicht auch so viel interessanter als das, was auf dem Tisch stand. Das konnte ich ohnehin nicht genau erkennen ohne auf die Zehen zu gehen und das hätte bestimmt etwas Ärger gegeben, denn Erwachsenensachen sind Erwachsenensachen. Da versteht mein Onkel keinen Spass. Ein Bommel ist eine Banane, einer eine Weintraube. Ich frage die Frau, die nie freundlich, aber auch nie böse schaut und gerade einen Krug rausträgt, was das ist, denn meine Oma hat auch einen Tisch im Garten, aber so was hab ich noch nicht gesehen, vielleicht faszinieren sie mich auch nur deshalb. Ich fasse die Früchte an, sie sind glatt und schwer und ich mag sie. Meine Cousine grinst frech und klipst heimlich immer einen dieser Bommel ab und wieder an.

„So Mädchen“, sagt mein Onkel, „jetzt wird es nun wirklich Zeit. Ihr habt lange genug hier im Garten getobt. Geht rein und zieht die Schuhe aus.

Meine Cousine ist an dem Tag sehr aufgedreht und rennt noch so schnell sie kann einmal in den Garten und dann auf die Terrasse zurück. Ich brauche ja sowieso viel länger beim Schuhe ausziehen, ich krieg das mit den Schnallen einfach nicht hin. Da machen meine Finger nie was sie sollen.

Ich hab noch Zeit den Mann anzuschauen, der bei meinem Onkel sitzt. Ich habe ihn schon öfter gesehen, ich glaube er ist ein Freund vom Onkel. Ich finde ihn toll. Er schaut so groß aus und immer so nett. Meine Oma hätte bestimmt fesch gesagt. Ich weiß nicht warum, so lang ich denken kann, habe ich diesen Mann angehimmelt, groß, gutaussehend, charmant. Ich habe ihn ja öfter mal gesehen, meist, wenn er mit meinem Onkel etwas ganz wichtiges zu besprechen hatte. Erwachsenensachen eben.

Da endet meine Erinnerung, einfach ein Ausschnitt eines Sommertages, kleine Details, die sich festgesetzt haben. So wie das jeder kennt.

Ich bin bin ein bisschen sauer auf meine Cousine. Wenn sie jetzt noch so wild herumhüpft, sogar beim Sandalen ausziehen, dann kann das ganz leicht Ärger geben. Eigentlich bin ich nicht so richtig wütend, ich hab nur ein bisschen Angst. Ich boxe sie in die Seite, sag:“Kkschtt“, wie mein Onkel es sagt und schau sie so an, wie mein Onkel es mir gezeigt hat. Mit ihren großen blauen Augen schaut sie zurück und bleibt auf einmal ganz ruhig stehen. Ich bin erleichtert. Sie ist zwar nur ein Mädchen, aber ich mag sie trotzdem.Ich weiß, dass das jetzt geklappt hat, kein frech sein mehr. Alles wird jetzt gut.

Die Frau nimmt uns an der Hand, heute mal gar nicht so ruppig. Ich bin ein bisschen stolz, denn dann sind wir zwei auch brav genug und gewesen.

„Wascht euch!“ sagt sie, „besonders du, Ines!“ und bringt uns in ein kleines Bad. Sie hat wirklich recht, meine Cousine hat über all kleine Erdklüpchen und Gras im Haar und viele Flecken an den Armen. Ein paar Waschlappen müssen reichen und jede von uns bekommt welche. Ines beugt ihren Kopf über das Klo und wuschelt sich die Haare aus. „Schau mal, ob noch was hängen geblieben ist?“ , fragt sie mich. 

Ich höre sie schon gar nicht mehr. Ich wollte mir die Hände waschen und habe in den Spiegel geschaut. Mir wird dann immer schwindelig. Meine Cousine sieht im Spiegel genauso aus wie sonst auch, nur eben verkehrt herum, mir schaut immer ein blondes Mädchen mit blauen Augen und Locken entgegen. Das ist doch verrückt. Ich löse mich auf. Das tue ich oft, aber das ist so, sagt mein Onkel. Ich habe eine Aufgabe, ich bin wie ein großer Bruder, denn meine Cousine hat keinen, nur die doofe große Schwester die uns immer ärgert. Große Brüder sind wichtig, sagt mein Onkel. Sie passen darauf auf, dass ihre kleinen Schwestern alles richtig machen. Ich pass auf meine Cousine auf. Manchmal muss ich sie hauen, wenn sie nicht hören will, aber ich geb ihr auch immer meinen Pudding nach dem Essen ab. Das darf ich, sagt mein Onkel, das gehört auch dazu. Und wenn die Jungs im Dorf uns ärgern, dann hab ich mich mit denen schon oft geprügelt.

Sommertag – Pt II

Sommertag – Pt III

Eine etwas andere Familientradition oder das absichtliche Erschaffen einer multiplen Persönlichkeit

Dass es so etwas wie multiple Persönlichkeiten als Störungsbild gibt, habe ich erst erfahren, als ich den Entlassungsbericht nach meinem ersten Klinikaufenthalt in den Händen hielt. Auch wenn diese Diagnose seither von verschiedenen Institutionen, Ärzten, Therapeuten immer wieder gestellt wurde, konnten wir das Störungsbild erst verstehen und uns selbst damit in Verbindung bringen, als sich ein Therapeut viel Zeit nahm eine ordentliche Differenzialdiagnostik durchzuführen und uns aufzuklären, indem er mit uns Fachartikel durchging und Kontakte zu Fachleuten für verschiedene Störungen arrangierte.

Das alles bedeutete jedoch nicht, dass es bei uns schon früh ein Bewusstsein dafür gab, dass die Persönlichkeit eines Menschen aus verschiedenen „Leuten“ bestehen konnte, nur fehlte eine vernünftige Einordnung dieses Phänomens. Als Kind war es schlicht normal, denn wir waren bei weitem nicht die einzigen in der Herkunftsfamilie mit einer dissoziativen Identitätsstruktur, allerdings war auch klar, dass man mit Außenstehenden über so etwas niemals sprechen durfte. „Man wird denken du bist verrückt und dich einsperren, weißt du.“, war ein beliebter Satz, den wir in verschiedensten Zusammenhängen unentwegt zu hören bekamen. Als Jugendliche schienen uns Erklärungen wie Besessenheit von Dämonen, so wie es in der Bibel beschrieben ist, und Schizophrenie, von der wir lange ein vollkommen falsches Bild hatten, als ausreichend.

Mit dem Bewusstsein, was es überhaupt bedeutet, wenn ein Mensch multiple Identitäten ausbildet, entwickelte sich auch ein Bewusstsein dafür, dass in unserer Herkunftsfamilie schon seit Generationen einiges schief zu laufen schien. Ich schrieb ja schon, dass wir nicht die einzige Multiple in unserer Familie waren oder sind. Wir  glauben und wissen z.T. auch, dass unser Vater, unsere Tante, unsere Großtante, unser Bruder und einige unserer Cousinen und Cousins ebenfalls eine dissoziative Identitätsstörung haben. Einige waren selbst in psychiatrischer und psychologischer Behandlung, erhielten diese Diagnose, andere nicht (bzw. nicht, dass wir wüssten), aber sie hatten so lange wir denken konnten vollkommen unterschiedlich agierende Anteile in sich, die auch verschiedene Namen trugen.

Dissoziation ist eine normales psychisches Phänomen, jeder kann es, die einen mehr, die anderen weniger gut. Unter anhaltenden extremen Bedingungen spalten kleine Kinder Anteile ihrer Psyche ab, die sich später zu eigenständigen Identitäten entwickeln können. Die Psyche schafft es also ganz von alleine sich zu „multiplizieren“. Es gibt eine Reihe gewissenloser Menschen, die sich dieses Phänomen zu Nutze machen. Selbst die CIA hat Mitte des letzten Jahrhunderts Experimente in dieser Richtung durchgeführt. Eine aufgespaltene Psyche, eine sog. dissoziative Identitätsstruktur, hat für den, der es versteht die Vorteile dieses Phänomens zu nutzen, einen nicht zu unterschätzenden Wert. Auf den Wert für Geheimdienste und Militär kann ich nicht weiter eingehen, dass mir die Strukturen dieser Organisationen zu unbekannt sind. Einige destruktive Sekten und Kulte machen sich das gezielte Aufspalten zu eigen und dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Zum einen sind unterschiedliche Identitäten innerhalb einer Person ein „Abfallprodukt“ der „Erziehung“ innerhalb dieser RiGaGs, die oft unbedingtes Gehorsam unter dem Einsatz massiver Gewalt „trainiert“, und verschiedenen Ritualen, wie dem Praktizieren von Sexualmagie, das nicht selten mehr ist als eine Stunden dauernde Gruppenvergewaltigung. In einigen Ideologien gilt eine aufgespaltene Persönlichkeit als „magisch“, „heilig“, „unheilig“, „Tor“ oder „Wohnstätte“ für Geister und Dämonen. Persönlichkeitssysteme werden absichtlich kreiert um das Tun der RiGaG selber vor Außenstehenden, mit denen das Kind in Berührung kommt (Lehrer, Ärzte, Sozialarbeiter, Eltern, falls diese nicht selbst involviert sind) zu verstecken, indem Anteile und Innenpersonen geschaffen werden, die allein für z.B. die Schule verantwortlich sind und vom (nächtlichen) Treiben der RiGaG nichts mitbekommen, oder um innere Kontrollinstanzen im Kind zu schaffen, damit mögliches Fehlverhalten sofort Konsequenzen nach sich ziehen kann. Es werden spezielle Fragmente oder vollständige Innenpersonen abgespalten, die nur für einen bestimmten Job innerhalb der RiGaG oder innerhalb des Persönlichkeitssystems des Kindes ausgebildet werden. Es ist leichter ein Kind dazu zu bringen z.B. ein Tier zu töten, wenn es nur das und nichts anderes kennt, wenn es sich keine Gedanken um Hausaufgaben oder Freunde machen muss, wenn es nicht gelernt hat, dass alles Lebende fühlt oder dass man selbst starke Gefühle hat. All das ist dissoziiert, abgespalten. Der Persönlichkeitsanteil des Kindes lebt ohne diese Gedanken, ohne das Wissen, ohne die Gefühle, die das Kind vielleicht hätte, wenn die Gesamtpersönlichkeit noch intakt wäre. Man schafft sich so seelenlose Roboter.

Genau das ist auch die Motivation, die viele Ringe, die Kinderpornographie herstellen und Kinder zwangsprostituieren (auch hier sind viele RiGaGs involviert, da es eine gute Einnahmequelle ist und sich die bereits „erzogenen“ Kinder der Gemeinschaft gut eignen), dazu bringt ihr „Material“ abzurichten, sprich gezielt aufzuspalten und die entstehenden Persönlichkeitsfragmente und Identitäten für bestimmte Aufgaben zu trainieren. So schaffen sie ein Kind, dass auf bestimmte Cues hin bestimmte sexuelle Handlungen ausführt, still ist, stöhnt, Orgasmen hat oder gut simuliert, leise weint, schreit, Widerstand zeigt oder wild um sich schlägt. Hervorragend, da ist für jeden Geschmack was dabei und ein einzelnes Kind, dass sich möglichst vielfältig einsetzen lässt bringt ordentlich Asche. Es ist so ernüchternd, wenn man sich das mal auf der Zunge zergehen lässt: Ja, Macht spielt auch immer irgendwo eine Rolle, aber ganz oft geht es nur ums Geld.

Unsere Herkunftsfamilie war zum einen involviert in eine Gemeinschaft, die rituelle Gewalt praktizierte, zum anderen wurde bei uns zu Hause Kinderpornographie in großem Stil produziert und zwei Geschosse des Hauses verwandelten sich mehrmals im Monat in ein Kinderbordell. Dort wurden nicht nur die Kinder unserer Familie, meine Geschwister und Cousins und Cousinen, sondern auch fremde Kinder missbraucht und gefilmt.

Physische Gewalt, genau so wie sexueller Missbrauch wird oft innerhalb einer Familie weitergegeben. Man neigt dazu in den Strukturen zu leben, die man selbst kennengelernt hat. Mein Urgroßvater hat sich bereits an meiner Großtante vergangen, meine Tante wurde von meinem Großvater missbraucht und suchte sich selbst wieder einen Mann, der regelmäßig zu den gemeinsamen Kindern ins Bettchen stieg. Wir Mädchen wuchsen mit der Gewissheit auf, dass wir wertlos seien und zu nicht anderes zu gebrauchen sind als andere Menschen sexuell zu befriedigen und Kinder zu bekommen, wenn das von uns erwartet wird. Die Jungs bekamen einige Freiheiten, wenn sie älter wurden und sich als stark (was auch immer das heißen mag) erwiesen, wer aufgegeben hatte oder Schwäche zeigte, wurde zum „Mädchen“ degradiert.

Spätestens seit meiner Generation ist auch die gezielte Spaltung der Persönlichkeit ein Thema. Einige der Mädchen in unserer Familie wurden durch das Abrichten für die RiGaG und zum Zwecke der besseren Vermarktung aufgespalten und trainiert. Es gab natürlich auch immer wieder unkontrollierte Abspaltungen und Identitäten, die „unter dem Radar flogen“, sowie andere, die als das, was sie waren, erkannt wurden und entsprechend behandelt. Wir bekamen verschiedene Namen von unserer Familie oder denen, die uns „erzogen“. Innenpersonen bekamen ihren eigenen Namen, damit sie leichter unterscheidbar wurden und auf Ansprache „raus kommen“ konnten, d.h. die Kontrolle über den Körper übernehmen konnten, gerade so wie es den Tätern passte. Vater, Großmutter und Andere hatten unterschiedliche Namen für uns, nicht Variationen unseres im Ausweis stehenden Vornamens, so unterschiedliche wie Katrin, Lotte, Marianne, Christine oder Sven (ja, es gab auch innerhalb der Familie die merkwürdige Vorstellung, dass ein Mädchen durch männliche Innenpersonen aufgewertet wird). Einige Innenpersonen von uns können sich erinnern, dass sie für gewöhnlich mit ihrem eigenen Namen angesprochen wurden, ganz selten wurde zu Hause der eigentliche Vorname benutzt. Wer draußen war hatte auf Anfrage zu antworten, wer er ist. Wer zur falschen Zeit am falschen Ort war wurde bestraft. So sollte man lernen, dass immer die passende Innenperson in der passenden Situation die Kontrolle über das Handeln hatte. Man wollte kein Kind, dass nur dazu da war Männer oral zu befriedigen im Sportunterricht in der Schule haben und kein Mädchen, dessen Aufgabe der Haushalt war, mitten in ein komplexes satanisches Ritual platzen sehen.

Wir genossen als Kinder einige Freiheiten, die andere mit ähnlicher Herkunft nicht hatten: wir durften mit anderen Kindern spielen. Wenn es sich dabei um Kinder handelte, die nicht zur Familie gehörten, wurden diese Spiele sehr genau beobachtet. Waren wir – was öfter der Fall – war mit Kindern unserer Familie unterwegs, so war es nicht ungewöhnlich, dass sich bestimmte Innenpersonen zusammenfanden und gemeinsam spielte. Im Verlaufe eines Nachmittags konnte das auch mehrfach wechseln, häufig von dem ebenfalls multiplen Gegenüber gespiegelt. Für uns Kinder war das Normalität, auch wenn wir gleichzeitig wussten, dass wir mit Außenstehenden niemals darüber reden dürfen. Für uns gehörte es dazu, dass in Haus und Garten (niemals auf der Straße oder anderen öffentlichen Orten) hinter der Cousine mit dem offiziellen Namen Jasmin [auch hier gilt wieder: sämtliche Namen sind geändert, wir wollen uns nicht noch weiter aus dem Fenster lehnen, als wir es ohnehin schon tun] eine Vielzahl anderer Personen steckt, das gerade vielleicht Angi da ist, mit der unsere Maria so gerne puzzelt, dass vor einer halben Stunde noch Bibbi und Margret wild über den Hof getobt sind und dass ich aufpassen muss, wenn ich dieses altbekannte funkeln in den Augen sehe, dass ist nämlich Sebastian und der hat wenig Geduld und prügelt sofort los.

Ja, man könnte sagen multipel sein und seine Kinder ebenfalls gezielt aufzuspalten (oder aufspalten zu lassen) ist eine Familientradition.

Auch wenn ich grundsätzlich viel von Traditionen halte – ich muss nicht jeden Scheiß mitmachen.

Praying For Rain

Wir waren Jugendliche in den 90ern (damit könnt ihr auch ungefähr erahnen, wie alt wir sind). Es war eine harte Zeit und mit 16 beschlossen wir von zu Hause fortzugehen. Wir hatten ein Jahr zuvor unser viertes Kind geboren, ein kleiner Bub, der uns direkt nach der Geburt weggenommen wurde und von einer anderen Familie, die stark in die RiGaG eingebunden war, aufgenommen wurde. Wir konnten einfach nicht mehr. Erste Ansätze von Rebellion gegen die Familie und die RiGaG führten dazu, dass wir weg liefen. Wir brachten tausende von Kilometern zwischen uns und unsere Herkunft, immer in der Hoffnung auf Freiheit. Die Abhängigkeit in unserem Kopf schafften wir noch nicht abzulegen und es sollte noch 10 weitere Jahre dauern, bis wir den Ausstieg endlich geschafft hatten. Wir konvertieren zum Christentum, ließen uns taufen, beteten und hofften. Wir wussten, wir waren nicht würdig Gott von Angesicht zu Angesicht entgegenzutreten, aber wir beteten und hofften weiter, dass wir es eines Tages schaffen würden.

Noch heute danken wir den Menschen, die uns aufnahmen und uns ein vollkommen neues Leben zeigten. Wir lernten Musik kennen, Musik, die aus dem Herzen kommt, Musik, die in der Lage war Herzen anzurühren. Wir lernten Glaube und Gebet kennen und auch, wenn wir uns heute weiterentwickelt haben, uns von den traditionellen christlichen Sichtweisen entfernt haben, so hat diese Zeit doch einen ganz besonderen Samen in uns gelegt, der gewachsen ist – sich auch verändert hat – und unser weiteres Leben ganz nachhaltig bestimmt hat: wir lernten Hoffnung kennen.

Über Theologie lässt sich diskutieren (etwas, was wir mit Vorliebe tun), aber einige der Werte, die wir da kennengelernt haben, begleiten uns bis zum heutigen Tag.

Halt haben wir da in der Musik gefunden. Wir haben gelernt Musik zu finden, mit der wir uns identifizieren konnten und gleichzeitig unsere eigenen Gaben zu nutzen (wenn wir mal ganz mutig werden, teilen wir auch unsere eigene Musik mit euch).

Eines der Stücke, dass uns durch viele schwere Zeiten begleitet hat war „Pray for Rain“ von PFR und dieses Lied möchten wir gerne mit euch teilen:

Born in a dry season
Wind and sand have blown through me
Haven’t found shade anywhere
Only moments of relief
But sometimes I think I hear the thunder
Somewhere on the horizon line
If i could just find a way to get under
The rain that can reach this soul of mine

(chorus)
I pray for rain to come
And wash away what’s made me numb
I pray for a raging storm
To drown what’s in me
And the rain comes in the nick of time
I swallow hard cause my throat’s been dry
The rain comes beating on my skin
Till I’m washed away – nothing left within
When the rain comes
Your rain comes

Seasons have passed so quickly
Since I felt that first big storm
Still there have been times of drought
When i’ve prayed for the clouds to form
And I often hear the thunder
And I know of its coming rain
Many times in my life I’ll kneel under
The moving showers that brought this change

Quelle: youtube